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  Lesen schadet den Augen

 

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                                         Weihnachten

 

    Johann W. Goethe  (1749 -1832)

    Epiphaniasfest 

    Die heiligen drei Kön'ge mit ihrem Stern,

    sie essen, sie trinken und bezahlen nicht gern;

    sie essen gern, sie trinken gern,

    sie essen, sie trinken und bezahlen nicht gern.

     

    Die heiligen drei Kön'ge, sie kommen allhier,

    es sind ihrer drei und nicht ihrer vier,

    und wenn zu drein der vierte wär,

    so wär ein heiliger drei König mehr.

     IMG_1671_Krippe Borghorst

    Ich erster bin der weiß und auch der schön,

    bei Tage solltet ihr mich erst sehn!

    Doch ach, mit allen Spezerein

    werd ich mein Tag kein Mädchen mehr erfreun.

     

    Ich aber bin der braun und bin der lang,

    bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang;

    ich bringe Gold statt Spezereien,

    da wird ich überall willkommen sein.

     

    Ich endlich bin der schwarz und bin der klein

    und mag auch wohl einmal recht lustig sein.

    Ich esse gern, ich trinke gern.,

    ich esse, trinke und bedanke mich gern.

    Krippe

     Die heiligen drei König sind wohl gesinnt,

    sie suchen die Mutter und das Kind;

    der Joseph fromm sitzt und auch dabei,

    der Ochs und Esel liegen auf der Streu.

     

    Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold,

    dem Weihrauch sind die Damen hold,

    und haben wir Wein von gutem Gewächs,

    so trinken wir drei so gut wie ihrer sechs.

     

    Da wir hier nun schöne Herrn und Fraun,

    aber keine Ochs und Esel schaun,

    so sind wir nicht am rechten Ort

    und ziehen unseres Weges weiter fort.

     

           

         Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

         Weihnachten

         Markt und Straßen stehn verlassen,

        Still erleuchtet jedes Haus,

        Sinnend geh ich durch die Gassen,

        Alles sieht so festlich aus.

         

        An den Fenstern haben Frauen

        Buntes Spielzeug fromm geschmückt,

        Tausend Kindlein stehn und schauen,

        sind so wunderstill beglückt.

         

        Und ich wandre aus den Mauern

        Bis hinaus ins freie Feld,

        Hehres Glänzen, heilges Schauern!

        Wie so weit und still die Welt!

         

        Sterne hoch die Kreise schlingen,

        Aus des Schnees Einsamkeit

        Steigts wie wunderbares Singen -

        O du gnadenreiche Zeit!

         

     

        Heinrich Heine (1797 - 1856)

         Die Heil'gen Drei Könige

         Die Heil'gen Drei Könige aus Morgenland,

        Sie frugen in jedem Städtchen:

        "Wo geht der Weg nach Bethlehem,

        Ihr lieben Buben und Mädchen?"

         

        Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,

        Die Könige zogen weiter.

        Sie folgten einem goldenen Stern,

        Der leuchtete lieblich und heiter.

         

         Der Stern blieb stehn über Josefs Haus,

        Da sind sie hineingegangen.

        Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,

        Die Heil'gen Drei Könige sangen.

     

              Theodor Storm (1817 - 1888)

               Weihnachtslied

               Vom Himmel in die tiefsten Klüfte

              Ein milder Stern herniederlacht;

              Vom Tannenwalde steigen Düfte

              Und hauchen durch die Winterlüfte,

              Und kerzenhelle wird die Nacht.

               

              Mir ist das Herz so froh erschrocken,

              Das ist die liebe Weihnachtszeit!

              Ich höre fernher Kirchenglocken

              Mich lieblich heimatlich verlocken

              In märchenstille Herrlichkeit.

               

              Ein frommer Zauber hält mich wieder,

              Anbetend, staunend muss ich stehn;

              Es sinkt auf meine Augenlider

              Ein goldner Kindertraum hernieder,

              Ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.

                  *

Nikolaus

      Johannes Trojan (1837 – 1915)

      Was soll ich meiner Tante schenken?

       

      Ich sitze da in tiefem Denken

      Und. sinne her und sinne hin —

      „Was soll ich meiner Tante schenken?"

      Das geht mir immer durch den Sinn.

       

      Was wünscht sie sich ? Wär' ihr am Ende

      Erwünscht ein grüner Papagei?

      Ein Makartbild als Zier der Wände?

      Ein Gummibaum? Ein Straussenei?

       

      Wär' ihr gedient mit einer Brille?

      Mit einem Kopf des wilden Schweins?

      Wünscht sie vielleicht sich in der Stille

      Ein Oxhoft alten Brannteweins ?

       

      Soll ich Rollschuhe für sie wählen —

      Sie liebt vielleicht den Skatingrink! —

      Wie? oder ist mehr zu empfehlen

      Was Plastisches, gemacht aus Zink?

       

      Würd' ein Aquarium ihr gefallen?

      Würd sie ein Deckelglas erfreun?

      Ach, unter diesen Dingen allen

      Scheint keins das richtge mir zu sein.

       

      Ich sitze da in tiefem Denken

      Und schaue sinnend in das Glas —

      Ei was! Ich will ihr gar nichts schenken!

      Vielleicht schenkt mir die Tante was.

          *

        Augustin Wibbelt (1862 – 1947)

        An de Krippe 

        Du leiwe Kind, ick lot  nich lok,

        Ick laot nich nao met mine Bitten:

        Ganz ächter in den lesten Hok

        Von dinen Stall do mögg ick sitten.

         

        Do sitt ick gutt, do häff  ick Ruh,

        Do sall de Düwel mi nich finnen –

        Un kaim he doch, min Heiland du,

        Du kanns em mäcklick üöwerwinnen.

         

        Un wat he praohlt, un wat e lacht,

        Un sitt he vull von leige Nücken,

        An dine Krippe bräck sin' Macht,

        Sin Zepter geiht in dusend Stücken.

         

        Min Elend stonn bis an den Rand,

        En Kind is mi to Hölpe kummen

        Un hät met sine kleine Hand

        Mi alle Angst von'n Hiätten nummen.

                * 

            Anm:   ächter =  hinten  Hok: Winkel  -   mäcklick: leicht

         

            Rainer Maria Rilke  (1875 - 1926)

            Advent

             Es treibt der Wind im Winterwalde

            die Flockenherde wie ein Hirt,

            und manche Tanne ahnt, wie balde

            sie fromm und lichterheilig wird,

            und lauscht hinaus. Den weißen Wegen

            streckt sie die Zweige hin - bereit,

            und wehrt dem Wind und wächst entgegen

            der einen Nacht der Herrlichkeit

                                  *

            Oskar Loerke (1884 – 1941)

            Garten um Weihnacht

            Ich gehe den Steinplattenweg im Rasen.

            Sonnwendschnee und Altjahrveilchen

            Atmen den Brodem unzeitlicher Wärme.

            Aber die Lauluft lehrt mich bemerken:

            Ja, es schweigt das Sommergesumm.

            Einst vernahm ich am Tönen der Flügel

            Das Innre des Monats, ihn mir nennend.

            Nun im Nachgetöne von Flügeln

            Hör ich das Innre des Lebens von eh.

            Sonst schweigt alles. Lautlos zu Häupten

            Klärt sich blaugrünes Wolkengetümmel,

            Schmilzt wie Blei in der Sonnenblendung.

            Das Festere löst sich, es will kippen,

            Sich gestalten - dann sich entformend

            Drückt es brennend gegen die Wandung

            Und verschwindet in sauberer Stille.

            Aber schwärzeres Wolkicht schart sich,

            Mächtige Dämme brechen zusammen

            Und müßten heulen - doch sie auch schweigen,

            Als berste fernher in hohem Nachschein,

            Im graugewordnen, das heilige Troja.

            Und seine fliehenden Schatten schieben

            An meinem Haus, als ob sie es fällten -

            Nein, Geschwächte ziehn und enteilen

            Durch Sonnwendschnee und Altjahrveilchen.

                    *

        Max Herrmann –Neiße (1886 – 1941)

        Weihnacht 1940

        Seltsame Weihnacht neunzehnhundertvierzig

        in diesem London, dunkel und bedroht,

        noch scheint sie friedlich, und kein Feind verirrt sich

        zu unserm Haus mit seiner Ladung Tod.

        Wir wollen uns das alte Fest erzwingen,

         der Baum erglänzt, wie einst zuhaus, geschmückt,

        wir möchten, wenn wir uns Geschenke bringen,

        vergessen, was uns ängstet und bedrückt.

        Im Rundfunk hören wir die fernen Glocken,

        noch einmal essen wir und trinken gut

        und lassen uns in einen Leichtsinn locken.

        Der Henkersmahlzeit grimmer Übermut

        gespenstert um den Tisch; ich spür es schwelen:

        Den Mord, der eine Pause sich erlaubt;

        das rührende Sekundenglück der Seelen,

        die sich verschweigen, was die Ruhe raubt,

        das Scheinbild eines Friedens, diese Fratze,

        die etwas Fürchterlicheres verhüllt,

        bis plötzlich ausgeruht die Tigerkatze

        uns wieder anspringt und im Blutrausch brüllt.

        Noch starren ringsum die zerstörten Stätten,

        steht da und dort auch ein verschontes Haus,

        als ob die Frevler aufgespart es hätten

        für einen letzten, teuflisch großen Graus,

        zur Orgie der endgültigen Vernichtung,

        wenn der Verhaßte ruchlos Rache nimmt.

        Weihnachten: neunzehnhundertvierzig: Dichtung,

        die seltsam künstlich zwischen Schlachten glimmt.

                                    *                                                (aus: M. H.-N., Letzte Gedichte, 1941)

 

          Johann Spratte  © (1901 – 1991)

          Dezember

          De Kräggen strieket  (= Kraien – Krähen)

          üöwer de Wintersaut,

          et früs, un achtern Holde,

          doa is de Himmel raut.

           

          In Büske und Hiegen    (= Hecken)

          süselt de Wiend noa sacht;

          Niewel stig in de Wiske,

          dat gif ne kaule Nacht.  

 

          Johann Spratte  © (1901 – 1991)

          Wiehnachten

          Nu is de siälge Wiehnachtstiet,

          un Bethlehem is gar nich sau wiet:

          Glieks achtern Holt in de Schüern

          met de aulen Backsteenmüern

          wuohnt Maria un Josef, de Asylanten,

          de hät wiet un siet keine Vöwandten,

          häwwet Hus un Heimat völuorn,

          un in de Nacht is dat Kindken gebuorn.

           

          Kuomt an, wie maket us up’n Pad

          met Wurst un Speck un süs noa wat,

          un lot us dat Kindken doa in de Krippen

          sachte weeigen un wippen.

                

    aus: Johann Spratte, Das alte Bild. Gedichte in Platt, Verlag Lechte Emsdetten. 1988, S. 38 f

                Herrn Wido Spratte herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis, Februar 2011

CIMG6958_Krippe Kronstadt 2012      CIMG6960_Dreikönige_Kronstadt St. Johannes der Täufer_2012

                   Krippenfiguren aus der “St. Johannes der Täufer”- Kirche in Kronstadt (Tschechien),

      aufgenommen 2012 im Rahmen einer Schlesienreise in die Grafschaft Glatz mit Franz Grieger, Wallenhorst.

 

        Karl Heinrich Hiemer © (1914 - 1944 verschollen)

         Weihnacht

        Es war ein Stall und eine Krippe.

        Es war ein Ochs, ein Esel und ein Lamm.

        Es war ein Kind und eine Krone -

        Und in der Fachwerkwand ein Kreuzesstamm.

         

        Es zog ein Stern auf steilen Wegen

        Zu einem Feuer in der schweren Nacht,

        Wo alte Lieder dunkel klagten -

        Und eines Hirten Kind hat froh gelacht.

                                                  Eva Zeller © (* 1923)

            Stern über Bethlehem

            Müßte ich mir nicht

            beim Anblick des

            verheißungsvollen Sterns

            die Augen reiben

             

            überwältigt wie der

            Weltraumfahrer der

            schwerelos um unsre

            Erde kreist und drei-

             

            unddreißig Mal am Tag

            die Sonne aufgehn sieht

            das werte Licht

            ein neuen Schein

               

      aus: Eva Zeller, Was mich betrifft. Gedichte und Balladen. Literarische Broschur Bd. 18

      Verlag Sankt Michaelsbund. München 2011, S. 88

 

            (Kigo/ Ad)

            Blau aus dem Himmel

            Schneefall um Schneefall herab

            Schmuck auf den Häusern.

             

      Kurrendesinger

                         Erich Adler ©

          Kurrende

          Die Schuhe der Fremden beim Öffnen der Tür

          die hellen Stimmen

          lassen seinen Engel herab

          steigen

          doch

          wo soll Gott ankommen wo

          hat er Raum

          dir

          dunkel

          zu leuchten als fremdes

          Geheimnis.

 

 

           Erich Adler ©

          Maria

          Nun endlich war Raum für seine Geburt

          ein Ochse ein Esel mit ihrem Hauch

          der Josef gebückt

          in dieser Nacht neben mir

          jetzt Hirten vom Feld mit blökenden Schafen

          in der Stille des

          Wunders

          und Licht in der Welt

          durch den Stern überm Stall

          auf drei Fremde

          im Glanz – so

          kniend

          beschenken

          mein Kind.

             *

Steinkrippe 2016

                Im Schutz der Steine

                Marias Kind auf dem Stroh

                Hirten und Josef

                 

                Gehüllt ins Wunder

                und den Atem der Tiere

                Licht über Schatten.

                 

                      Erich Adler ©

IMG_8989_Hauskrippe Eskimos

 

                  Du kamst als Kind noch

                  blind in das Dunkel der Welt

                  zu  öffnen das Licht

                   

                  Du kamst als Kind

                  nackt in die Kälte der Welt

                  zu schützen das Licht.

                              Erich Adler

             

            Neujahrsgedichte

            Paul Gerhardt (1607 – 1676)

            Neujahrgesang

            Nun laßt uns gehen und treten

            mit Singen und mit Beten

            zum Herrn, der unserm Leben

            bis hierher Kraft gegeben.

             

            Wir gehen dahin und wandern

            von einem Jahr zum andern,

            wir leben und gedeihen

            vom alten bis zum neuen.

             

            Durch so viel Angst und Plagen,

            durch Zittern und durch Zagen,

            durch Krieg und große Schrecken,

            die alle Welt bedecken.

             

            Ach Hüter unsers Lebens,

            fürwahr, es ist vergebens

            mit unserm Tun und Machen,

            wo nicht dein‘ Augen wachen.

             

            Schleuß zu die Jammerpforten

            und laß an allen Orten,

            wo Krieg und Blutvergießen,

            die Freudenströme fließen.

            Hilf gnädig allen Kranken,

            gib fröhliche Gedanken

            den hochbetrübten Seelen,

            die sich mit Schwermut quälen!

             

            Und endlich, was das meiste,

            füll uns mit deinem Geiste,

            der uns hier herrlich ziere

            und dort zum Himmel führe.

             

            Das alles wollst du geben,

            o meines Lebens Leben

            mir und der Christenschare

            zum sel’gen neuen Jahre!

  *

            Johann Peter Hebel (1760 – 1826)

            Neujahrslied

            Mit der Freude zieht der Schmerz

            traulich durch die Zeiten.

            Schwere Stürme, milde Weste,

            bange Sorgen, frohe Feste

            wandeln sich zu Zeiten.

             

            Und wo eine Träne fällt,

            blüht auch eine Rose.

            Schon gemischt, noch e wir's bitten,

            ist für Throne und für Hütten

            Schmerz und Lust im Lose.

             

            War's nicht so im alten Jahr?

            Wird's im neuen enden?

            Sonnen wallen auf und nieder,

            Wolken gehn und kommen wieder

            und kein Mensch wird's wenden.

             

            Gebe denn, der über uns

            wägt mit rechter Waage,

            jedem Sinn für seine Freuden,

            jedem Mut für seine Leiden

            in die neuen Tage,

             

            jedem auf dem Lebenspfad

            einen Freund zur Seite,

            ein zufriedenes Gemüte

            und zu stiller Herzensgüte

            Hoffnung ins Geleite!

             

            Achim von Arnim (1781 - 1831)

            Neujahr

            Altes Jahr, du ruhst in Frieden,

            Deine Augen sind geschlossen;

            Bist von uns so still geschieden

            Hin zu himmlischen Genossen,

            Und die neuen Jahre kommen,

            Werden auch wie du vergehen,

            Bis wir alle aufgenommen

            Uns im letzten wiedersehen.

            Wenn dies letzte angefangen,

            Deutet sich dies Neujahrgrüßen,

            Denn erkannt ist dies Verlangen,

            Nach dem Wiedersehn und Küssen.

                             *

              Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848)

              Am letzten Tag des Jahres (Silvester)

               

              Das Jahr geht um,

              der Faden rollt sich sausend ab.

              Ein Stündchen noch, das letzte heut,

              und stäubend rieselt in sein Grab,

              was einstens war lebend’ge Zeit,

              Ich harre stumm.

               

              ‘s ist tiefe Nacht!

              Ob wohl ein Auge offen noch?

              In diesen Mauern rüttelt dein

              Verrinnen, Zeit! Mir schaudert, doch

              es will die letzte Stunde sein

              einsam durchwacht.

               

              Gesehen all,

              was ich begangen und gedacht,

              was mir aus Haupt und Herzen stieg:

              Das steht nun eine ernste Wacht

              am Himmelstor. O halbe Sieg,

              o schwerer Fall!

               

              Wie reißt der Wind

              am Fensterkreuze, ja es will

              auf Sturmesfittigen das Jahr,

              zerstäuben, nicht ein Schatten still

              verhauchen unterm Sternenklar.

              Du Sündenkind!

               

              War nicht ein hohl

              und heimlich Sausen jeder Tag

              in deiner wüsten Brust Verlies,

              wo langsam Stein an Stein zerbrach,

              wenn es den kalten Odem stieß

              vom starren Pol?

              Mein Lämpchen will

              verlöschen, und begierig saugt

              der Docht den letzten Tropfen Öl.

              Ist so mein Leben auch verraucht,

              eröffnet sich des Grabes Höhl‘

              mir schwarz und still?

               

              Wohl in dem Kreis,

              den dieses Jahres Lauf umzieht,

              mein Leben bricht: Ich wußt‘ es lang!

              Und dennoch hat dies Herz geglüht

              in eitler Leidenschaften Drang.

              Mir brüht der Schweiß

               

              der tiefsten Angst

              auf Stirn und Hand! – Wie, dämmert feucht

              ein Stern dort durch die Wolken nicht?

              Wär‘ es der Liebe Stern vielleicht,

              dir zürnend mit dem trüben Licht,

              daß du so bangst?

               

              Horch, welch Gesumm?

              Und wieder? Sterbemelodie!

              Die Glocke regt den ehernen Mund.

              O Herr! ich falle auf das Knie

              Sei gnädig meiner letzten Stund!

              Das Jahr ist um.

                      *  

               

              Eduard Mörike (1804 – 1875)

              Zum Neuen Jahr

               

              Wie heimlicher Weise

              ein Engelein leise

              mit rosigem Füßen

              die Erde betritt,

              so nahte der Morgen.

              Jauchzt ihm, ihr Frommen,

              ein heilig Willkommen!

              Ein eilig Willkommen,

              Herz, jauchze du mit!

               

               

              In ihm sei’s begonnen,

              der Monde und Sonnen

              an blauen Gezelten

              des Himmels bewegt.

              Du Vater, du rate!

              Lenke du und wende!

              Herr, dir in die Hände

              sei Anfang und Ende,

              sei alles gelegt!

               *

              Eduard Mörike (1804 – 1875)

              Zum Neujahr

              An tausend Wünsche, federleicht,
              Wird sich kein Gott noch Engel kehren,
              Ja, wenn es so viel Flüche wären,
              Dem Teufel wären sie zu seicht.
              Doch wenn ein Freund in Lieb und Treu
              Dem andern den Kalender segnet,
              So steht ein guter Geist dabei.
              Du denkst an mich, was Liebes dir begegnet,
              Ob dir’s auch ohne das beschieden sei.

                    *

            Wilhelm Busch (1832 – 1903)

            Zu Neujahr

            Will das Glück nach seinem Sinn
            Dir was Gutes schenken,
            Sage Dank und nimm es hin
            Ohne viel Bedenken.

            Jede Gabe sei begrüßt,
            Doch vor allen Dingen:
            Das, worum du dich bemühst,
            Möge dir gelingen.

 

        Max Herrmann- Neiße (1886 – 1941)

        Fragen zum Jahresbeginn

        Kommt nun der Tod? Erblüht ein neues Leben?

        Führt es ans Ende oder zum Beginn?

        Wird noch einmal  dem Lauf der Welt gegeben

        nach soviel Wahn ein morgenheller Sinn?

        Ist mir gestattet alles zu behalten,

        darin ich heimisch aufgehoben war?

        Kann aus dem Chaos maßvoll sich gestalten

        gerechte Satzung mild und sonnenklar?

        Wie soll das Weltbild sich zum Guten wenden,

        wenn meinem eignen Wesen nicht gelingt

        in Reife sich und Ruhe zu vollenden

        das Alter sich um seine Würde bringt?

        Ob ich trotzdem noch einmal gutzumachen,

        bescheiden andern wohlzutun vermag?

        Darf ich nach langer Nacht erlöst erwachen

        in einen unbedrohten Friedens-Tag,

        den ersten künftig schreckensloser Zeiten,

        auf daß die Menschheit wieder menschlich lebt,

        sich gegenseitig Freude zu bereiten,

        der Segen ist, nach dem die Seele strebt?

        Umgibt mich wieder die vertraute Stille,

        in die mein Dichter-Dasein doch gehört,

        wo kein unbändig machtbesessner Wille

        die Eintracht der Geschöpfe feindlich stört?

        Kann uns die Erde wieder schön erscheinen,

        weil sich das Göttliche ihr nicht entzieht,

        der Fromme wieder Freudentränen weinen,

        wenn er es jungfräulich rings blühen sieht

        das neue, gutgeglückte, sichre Leben,

        das wieder Hoffnung hat und einen Sinn?

        Was will das launische Geschick uns geben:

        kommt nun das Ende oder ein Beginn?

         

            *

          Karl Heinrich Hiemer © (1914 – 1944 vermisst)

          Jahr um Jahr

          Der Herrgott rollt den Sonnenball

          Gelassen durch die Wolkenwelt.

          Und jedes Jahr kommt er an meinem Haus vorbei,

          Wenn grad` das letzte Blatt von dem Kalender fällt.

           

          Dann geht er durch das dunkle Dorf

          Und schenkt von seinem Sonnenlicht,

          Und lacht dabei wie einer, der sehr gütig ist

          Und nicht darüber spricht.

                     *

 

          Monika Taubitz © (* 1937)

          Jahreswende

          Das Jahr erlosch.

          Verlassen steht sein Haus.

          Ich trete suchend

          in die Nacht hinaus.

           

          Aus Schatten steigt

          der Zukunft fremdes Land.

          Ich schau nach Stern

          und Zeichen unverwandt.

           

          Und Deinen Namen

          schreib ins Dunkel

          ich mit Licht.

          Ich rufe Dein

           verborgnes Angesicht.

                     *

                                            Noch keine Copy-Geschenke für:

    Johannes R. Becher (1891 - 1958)  Weihnacht (Es blüht der Winter im Geäst)

    Bertolt Brecht (1898 -1956)  Die gute Nacht

                           (Der Tag, vor dem der große Christ/ zur Welt geboren worden ist)

    Peter Huchel (1903 - 1981)  Die Hirtenstrophe  (Wir gingen nachts gen Bethlehem)

    Heinz Erhardt (1909 - 1979) Ein Weihnachtslied (Es ist Weihnachten geworden)

                                                 Weihnachten 1944  Als ich keinen Urlaub bekam

                       (Wenn es in der Welt dezembert/ und der Mond wie ein Kamembert)

    Erich Fried  (1921 - 1988 )  (Eine Streu von Stroh/ Eine Wiege von Wind)

    Eva Zeller (* 1923)  Krippenspiel – Welttheater (Und Lukas tritt/ ins Rampenlicht)

                                       O happy day (In diesem Jahr)

             Die Weihnachtsgeschichte buchstabieren

                                      (Eine Geburt/ der allerfrag-/würdigsten Art)

    Erich Kästner (1899-1974) Zum Neuen Jahr („Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“)

                *

              Lyrikschadchen

              Neujahr – Triolett

              Der erste Tag im neuen Jahr 

              kommt auf Raketen angeflogen.

              Auch großen Lärm wird man gewahr

              an diesem ersten Tag im Jahr.

              Gepaart mit Wünschen sonderbar

              die Vorsätze zurechtgebogen

              kommt erst der Tag ins neue Jahr

              auf den Raketen angeflogen.

                  *

         

 

           Freund meiner Tochter

   wartet schon zu lange aufs Christkind

   und will die Sache nun selbst in die

   Hand nehmen.