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Walther von der Vogelweide (1170 – ca. 1230)
LIEDER NACH 1205 – Mädchenlieder
1
Diu welt was gelf, rôt unde blâ,
grüen in dem walde und anderswâ.
kleine vogele sungen dâ.
nû schriet aber diu nebelkrâ.
pfligts iht ander varwe ? jâ,
sist worden bleich und übergrâ:
des rimpfet sich vil manic brâ.
2
Ich saz ûf eime grüenen lê,
da ensprungen bluomen unde klê
zwischen mir und eime sê:
der ougenweide ist da niht mê.
da wir schapel brachen ê,
da lît nû rîfe und ouch der snê:
das tuot den vogellînen wê.
3
Die tôren sprechent snîâ snî,
die armen liute owê owî.
des bin ich swaere alsam ein blî:
der wintersorge hân ich drî.
swaz der und der ändern sî,
der wurde ich alse schiere frî,
waer uns der sumer nâhe bî.
4
Ě danne ich lange lebt alsô,
den krebz wolt ich ê ezzen rô.
sumer, mache uns aber frô,
dû zierest anger unde lô.
mit den bluomen spilt ich dô,
mîn herze swebt in sunnen hô:
daz jaget der winter in ein strô.
5
Ich bin verlegen als ein sû (Ěsâû):
min sleht hâr ist mir worden rû.
süezer sumer, wâ bist dû ?
jâ saehe ich gerner veltgebû.
ê deich lange in sellier drû
beklemmet waere als ich bin nû,
ich wurde ê münch ze Toberlû.
Wintervokale
Die Welt war gelb, rot und bla (u),
überall grün, nicht nur im Wald.
Kleine Vögelchen sangen da.
Nun schreit aber die Nebelkrah’.
In anderer Farbe? Ja doch , ja -
bleich geworden und rundum gra (u)
naht vielfach sich manch Sorgenfalt’.
Ich selbst saß droben auf grüner Höh
dort am Quell von Blumen und Klee
breiteten sich zwischen mir und dem See:
Verschwunden eh dies Augenmeer
wo wir einst Kopfschmuck holten her.
Jetzt liegt dort nur noch Raureif und Schnee
beides tut den Vögelein weh.
Die Narren fordern: Schnei doch, schnei!
Arme jammern: Oweh, owei!
Mein Herz wird schwer, so schwer wie Blei:
Drei Wintersorgen eilen herbei.
Wie es um diese und andere wohl sei
wär mir doch völlig einerlei
käm nur der Sommer rasch herbei.
O wenn ich lange noch lebte so
äße ich lieber die Krebse selbst roh.
Sommer, mache uns wieder froh
ziere das Grasland und das Holz.
Mit den Blumen zu spielen – oh
mein Herz schwebte zur Sonne hoch
das jetzt verjagt hat der Winter ins Stroh.
Vom Nichtstun träg wie ein Schwein in der Suhle:
Mein glattes Haar ist ganz struppig nun.
Lieblicher Sommer, wohin bist du?
Lieber im Feld wär mir Arbeitsunruh
als länger noch in solcher Kuhle
und unbeweglich durch dieses Los – puh…
eher noch Mönchlein in Toberlu!
Vokal-Adaption: Erich Adler ©
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Friedrich Hölderlin ( 1770 - 1843)
Der Winter
Das Feld ist kahl, auf ferner Höhe glänzet
Der blaue Himmel nur, und wie die Pfade gehen,
Erscheinet die Natur, als Einerlei, das Wehen
Ist frisch, und die Natur von Helle nur umkränzet.
Der Erde Stund ist sichtbar von dem Himmel
Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben,
Wenn hoch erscheint von Sternen das Gewimmel,
Und geistiger das weit gedehnte Leben.
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 - 1857)
Winternacht
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab' nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seine Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.
Friedrich Rückert (1788 - 1866)
Der Frost hat mir bereifet
Der Frost hat mir bereifet des Hauses Dach;
Doch warm ist mir's geblieben im Wohngemach.
Der Winter hat die Scheitel mir weiß gedeckt;
Doch fließt das Blut, das rote, durchs Herzgemach .
Der Jugendflor der Wangen, die Rosen sind
Gegangen, all gegangen einander nach -
Wo sind sie hingegangen? ins Herz hinab:
Da blühn sie nach Verlangen, wie vor so nach.
Sind alle Freudenströme der Welt versiegt?
Noch fließt mir durch den Busen ein stiller Bach.
Sind alle Nachtigallen der Flur verstummt?
Noch ist bei mir im Stillen hier eine wach.
Sie singet: "Herr des Hauses! verschleuß dein Tor,
Daß nicht die Welt, die kalte, dring ins Gemach.
Schleuß aus den rauher Odem der Wirklichkeit,
Und nur dem Duft der Träume gib Dach und Fach!"
Ich habe Wein und Rosen in jedem Lied,
und habe solcher Lieder noch tausendfach.
Vom Abend bis zum Morgen und Nächte durch
will ich dir singen Jugend und Liebesweh.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Winternacht
Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!
Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.
Frost, friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte, wilde!
Dass einmal Ruh mag drinnen sein
Wie hier im nächtlichen Gefilde!
Friedrich Hebbel (1813 -1863)
Landschaft
Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.
Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.
Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
wirft einen letzten Blick auf's öde Land,
doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.
Gottfried Keller (1819 - 189O)
Winternacht
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee,
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.
Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.
Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füßen sah
Ihre weiße Schönheit Glied für Glied.
Mit ersticktem Jammer tastet' sie
An der harten Decke her und hin.
Ich vergaß das dunkle Antlitz nie,
Immer, immer liegt es mir im Sinn.
Else Lasker – Schüler (1869 – 1945)
Winternacht
(Cellolied)
Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg‘ in Grabesnacht,
Als ob ich spät um Mitternacht gestorben sei
Und schon ein Sternenleben tot sei.
Zu meinem Kinde zog mein Glück
Und alles Leiden in das Leid zurück,
Nur meine Sehnsucht sucht sich heim
Und zuckt wie zähes Leben
Und stirbt zurück
In sich.
Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg‘ in Grabesnacht.
*
Else Lasker – Schüler (1869 – 1945)
Ich friere
Und halte mich vor deiner Türe
In Schneegedanken wie ein Greis
In der Erinnerung Eis
Es (frieren) meine Glieder
(aus: E. L.- Sch., Verse aus dem Nachlass)
Oskar Loerke (1884 – 1941)
Winterliches Vogelfüttern
1
Schwirren sie von allen Seiten,
Die Gereisten, die Gescheiten,
Hör ich sie das Mahl begleiten,
Fabelnd ihre alten Zeiten.
Der von Singenberg war Truchseß,
Der von Landegg war der Schenk,
Und der Kämmerer war Göli,
Wir sind ihrer eingedenk.
Bei dem Abte von Sankt Gallen
Hat es ihnen Wohlgefallen,
Und er streute Futter allen
Seinen Minnenachtigallen.
2
Aber Walther sehn wir nie.
Wie er sang, ging er zur Ruhe:
»Er ging schleichend wie ein Pfau,
Drückte ein die Kranichschuhe,
Und sein Haupt hing ihm aufs Knie.<
Er versank im Himmelsblau.
Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Winter am See
Diese Farben über allen Wassern,
wenn es an das Überwintern geht,
und der erste Tag mit blassern
Schatten vor des Strandes Winden steht!
Traute man sich gestern noch ein Schreiten
in das warme Gelb des Sees zu,
hüllt man heut sich in die Heimlichkeiten
einer warm verwahrten Stubenruh.
Nur die Farben fließen durch die Scheiben,
wie ein letzter Gruß von dem, was starb.
Sind wir feig, weil wir nicht bei ihm bleiben,
weil verlassen seine Pracht verdarb?
Einst ist uns ein Abschied auch befohlen,
einsamer als diesem ew’gen Pan,
den im Lenz die neuen Götter holen
auf den frisch erblühten Wiesenplan.
Wer holt uns aus den verschloss’nen Grüften,
deren Tor unwiderruflich zu?
Tummelt sich sein Chor schon in den Lüften,
ist die Stube uns wie Grabesruh.
Unsre Bilder weichen schon mit blassern
Zügen in die leere Wand zurück,
und die Farben über allen Wassern
lügen, auch der Winter wäre Glück.
(aus: M. H.- N., Einsame Stimme, 1927, Erstdruck Dezember 1924)
Max Herrmann - Neiße (1886 – 1941)
Breslauer Winternacht
Nachts kriecht die Kälte aus dem Odereise
und färbt den Mann der Würstchenbude blau.
Um den Matthiasplatz in irrem Kreise
trabt wahngetrieben eine Zeitungsfrau.
Im Torweg Liebespaare stumm erstarrten
zu gotisch keuschen Statuen von Stein.
Den Grogerhitzten , die sich grölend narrten,
gefrieren ihre heisren Stimmen ein.
Das Droschkenpferd und hinter ihm der Wagen,
sie schleppen sich als bald Gelähmte fort.
Und ein Student mit hochgeschlagnem Kragen
verlor die Würde und das Ehrenwort
und sehnt sich nur noch nach der warmen Klause.
So leer wie jetzt war nie der Straßenschacht.
Verdächtige lauern heut an keinem Hause,
auch Tiere bargen sich vor dieser Nacht.
Ins Nichts des Himmels treibt bedrohlich düster
durchs Wolkeneis ein Totenschiff: der Dom.
Und fluchend mit den Schollen wirft als wüster,
heilloser Trunkenbold der Oderstrom. *
Georg Heym ( 1887 - 1912)
Der Winter
Der Sturm heult immer laut in den Kaminen,
Und jede Nacht ist blutigrot und dunkel,
Die Häuser recken sich mit leeren Mienen.
Nun wohnen wir in rings umbauter Enge
Im kargen Licht und Dunkel unsrer Gruben,
Wie Seiler zerrend an der Tage Länge.
Die Tage zwängen sich in niedre Stuben,
Wo heisres Feuer krächzt in großen Öfen.
Wir stehen an den ausgefrornen Scheiben
Und starren schräge nach den leeren Höfen.
Georg Heym (1887 - 1912)
Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land,
das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen
einander mit der ausgestreckten Hand
der Horizonte violettes Schweigen.
Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere
vier Straßen an. Die niederen Bäume stehen
wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere
glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen
verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.
Dann ziehen sie weiter in die Einsamkeit
gen Nord und Süden und nach Ost und Westen,
wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.
Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht
blieb von der Ernte noch im Ackerfeld.
Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht
und heißem Tag der Toten Wache hält.
Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht.
Der Sonne Atem dampft am Firmament,
davon das Eis, das in den Lachen steht
hinab die Straße rot wie Feuer brennt.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglanzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.
Ernst Blass (1890 – 1939)
Dezember
Nun ist die Glut verweht, der Ton verhallt,
Es ragt der Baum an unbegangnen Wegen.
Der das Alleinsein fürchtete und schalt,
Empfindet nunmehr doppelt seinen Segen.
Auf allen Strecken ist es rein und kalt
Nicht mehr erfaßte Verführung einen Trägen,
An das verbotne Feuer ihn zu legen,
Das ihn zerschmilzt zu trüber Mißgestalt.
Im Winter ist die ewige Majestät,
Verjagend das Getändel und Gepläre
Es läßt die Blätter stolz der große Berg,
Steiler im Wuchs und nackter in dem Werk.
An seiner hocherhabnen Seite steht
Der graue Engel Schmerz, der hohe Herr.
* (1915)
Gertrud Kolmar (Gertrud Chodziesner, 1894 – 1943)
Winter
Der Triefbart zackt vereist vom Regenrohr.
Nordost steift wölfisch das gespitzte Ohr.
Ein Stern friert bläulich an, von Dunst umdickt.
Der Neuschnee klingelt glasbehängt und tickt.
Und Krähen schwimmen in den Acker schwer,
Der starre Wellen schlägt, ein schweigend Meer.
Ich steh am Uferwege, welk und klein,
Und senkte gern der Schäumeflut mich ein,
Die Fischernetze toter Amseln schleppt,
In steinern grünlich dunklen Abend ebbt.
Leicht splittert von der Wunde meiner Brust,
Dem schwarzen Kreis, ein Vogel ab: Gekrust.
Der Schneeglanz spült ihn hin: verdorrter Klang.
Der Regenbogen über Wälder sang.
Ich blieb. Durch meine Lider stichelt Reif.
Und hinterm Auge, weit, zerfließt ein Streif
In Grau und Rosa. Blaß verwischter Steig.
Ein Silberkelch, aprilner Pfirsichzweig.
Der leise, dichte Bienensüße weht.
Die Woge atmet in ein Scillabeet.
Den stummen Fittich aus: er dehnt sich matt . . .
Kalt bleicht die Mondstirn, die kein Antlitz hat.
Johann Spratte © (1901 – 1991)
November
Die Tage taumelten
wie Trunkenbolde,
voll vom süßen
Most des Sommers
In den Herbst.
Nun ist der Rausch vorbei,
die Nächte bringen Klarheit,
und mit kaltem Finger
zeigt der Mond
auf den Dezember.
(aus: Johann Spratte, Zeit der Schwalben. Gedichte Emsdetten 1975, S. 37)
(aus: Johann Spratte, Gelber Wiesenmond. Ausgewählte Gedichte., Lechte Verlag
Emsdetten 1980, S. 98)
Ich danke ganz herzlich dem Sohn des Autors, Herrn Wido Spratte, Wallenhorst/ Lechtingen,
für die freundliche Abdruckerlaubnis; Februar 2011 siehe auch:
In memoriam Johann Spratte
Horst Bingel (1933 – 2008)
Winter
Ein später Tag,
die Schwäne südwärts fliegen.
Das Schwingen ihrer Flügel
den Kalender
schreibt.
Tage kommen,
Schnee
fällt.
*
Horst Bingel (1933 – 2008)
Schnee
Kind sein,
mit dem Wind um die Wette laufen,
Schnee das Land jetzt küßt,
der Tag sich löst,
der Schneemann
Kinder liebkost.
Nicht die Kälte spüren,
die das Haus umstellt,
mit dem Wind reisen,
Schnee das Land
im Kuß
umarmt.
*
Beide Gedichte aus:
Horst Bingel, Den Schnee besteuern. Gedichte. orte-Verlag AG
CH Oberegg AI und Zürich 2009
Frau Barbara Bingel ganz herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis.
Albert von Schirnding (* 1935)
Wintervögel
Wintervögel Letzte Tage
flugabwärts nahem Abgrund zu
Mit fremden Federn hältst Verlorener du
dich eine Weile noch in schräger Lage
Ach nein dir hilft kein Flügelschlagen
ins Zentrum des zerstörten Gleichgewichts
So laß dich fallen laß dich tragen
vom Gegenwind ins blaue Licht des Nichts
aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005, S. 79 -
Langewiesche-Brandt KG
Albert von Schirnding (* 1935)
Winterlicher Vorgang
Die Möwen hocken
wie festgefrorne Steine
auf dem Eis locken
meine und deine
zögernden Schritte
hinaus zu den Toten
Gelegentlich kommen Boten
angeflogen Schnitte
von blitzenden Messern
trennen uns Ortlos
bin ich Zu andern Gewässern
sinkst du wortlos
*
(aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. Ebenhausen b. München 2005, S. 47 -
Langewiesche-Brandt KG
(aus: Albert von Schirnding: Übergabe. Achtzig Gedichte. S. 31
Albert von Schirnding (* 1935)
Schnee mein Feind
Weg auf dem du neben mir
gehst den Berg hinab vorm Haus
Jeden Morgen bring ich dich
fort zum Bus der dich entführt
Trennung Winken Deine Hand
losgelassen vogelfrei
flattert hinter trübem Glas
und ich kehr allein zurück
Schnee der fiel vergangne Nacht
zeigt mir grausam deine Spur
Schnee mein Feind der ohne Scham
den geheimsten Schmerz verrät
aus: Albert von Schirnding, War ich da? Gedichte, Edition Toni Pongratz, Hauzenberg 2010, S. 17
Dem Autor für die spontane Antwort vom 16. 02. 2012 - und sein großzügiges Einverständnis mit
einer Gedichtauswahl für einen Abdruck hier - meinen ganz herzlichen Dank. (Ad)
Monika Taubitz © ( * 1937)
Winterrose
Rose, hier
in den Wintergärten,
löse dein rostiges Siegel.
Falle,
bevor die Süße vergärt
zu Bitternis.
Entlasse
aus deiner Verwesung
das sinkende Jahr.
Aus unserer Winterstarre
erlöse dein zeitloses Bild.
aus: Monika Taubitz, Dir, Spinnweb Zeit, ins Netz gegangen, Die Künstlergilde
Esslingen 1983, S. 8 s. Sonderseite Monika Taubitz
copy noch eingefroren:
Augustin Wibbelt ( 1886 – 1947)
De Winter (De Winter kümp in’t Land )
Hermann Hesse (1877 - 1962 )
Im Nebel (Seltsam, im Nebel zu wandern)
Peter Huchel (1903 - 1981 )
Wintersee (Ihr Fische, wo seid ihr)
Krähenwinter (Über Luch und Rohr und Seen)
Heinz Erhardt (1909 - 1979)
Winteranfang (Verblüht sind Dahlien und Ginster)
Karl Krolow (1915 –1999)
Nebelwelt (Schatten und der Schatten Spiele)
Winter. Umwelt (Schnee ist nicht/ die kälteste Sache, die wir kennen)
Johannes Bobrowski (1917 - 1965)
Dezember (Lied durch den Schnee, die kleine/ Birke zu wärmen)
Eugen Gomringer (* 1925)
es – immer wieder gelingt es
Peter Härtling (* 1933)
Schneelied (Mit dem Schnee will ich trauern)
Sarah Kirsch (1935 - 2013)
Die Luft riecht schon nach Schnee (, mein Geliebter)
Winter (Ich lerne mich kennen, zu der Zeit)
Doris Runge (* 1943)
schnee fällt (befällt/zuerst/ die augen)
ein schleier (schnee bin ich)
jahreszeiten (frühling)
Erich Adler ©
Blick aus dem Fenster
Für Robert und Moni
Entlaubte Zweige der Rotbuche
Mein Blick hindurch auf die Himmelstafel
vom auslaufenden Griffel zerteilt der
tiefrosa am Horizont
in den Wald
hinein schreit
Aus dem Schornstein des Nachbarn empor
wandernde Schneise ins Dunkel
Helle Häuserwand Balkon ohne Menschen
- stiller und endlicher wenn das Saxophon meines Sohnes Pause macht -
dahinter die schwarze Silhouette vorm verblassenden Blau
Keine Gefühle mehr für den Winter.
Erich Adler © (* 1944)
Winter Gelobtes Land
Einen Schritt vor die Tür setzen
unter die Sonne
den Himmel
hinein in den blauen
Mut
zwischen Wänden
den Häusern
kein Wasser
kein Strom
selbst Kinderhänden wächst
an vermauerten Herzkammern kaum
Medizin zu
im verwundeten
Neujahr der Grenzen
*
Für Faten Mukarker,
nach ihrem Vortrag in der Christus König – Gemeinde, Osnabrück - Haste, 20. 06. 2011 .
Das Gedicht erschien 2009 in der Anthologie Herzhände. Dorante Edition Berlin, S. 107
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