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Formen in der Lyrik
Die Hymne
Hymne (gr.hymnos) - von der Verehrung des Gottes (Dionysos) oder
eines Helden (homerischer Epen) ausgehende (anfangs auch gesungene)
lyrische Form, die formal strophisch gegliedert, thematisch jedoch nicht
festgelegt ist auf religiöse Verherrlichung, (in der Aufklärung) auch
auf eine Belehrung des Lesers abzielt und in der Empfindsamkeit
deutlich das individuelle Gefühl gewichtet (Klopstock).
Die Abgrenzung zur
Ode oder Dithyrambe,
dem ekstatisch-kultischen Chor- und Reigenlied, das in Versmaß und
Strophenanlage recht variabel sein kann. ist schwierig und letztlich
nicht zwingend.
Goethes Sturm und Drang - Hymnen
Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)
Wanderers Sturmlied
Wen du nicht verlassest, Genius,
Nicht der Regen, nicht der Sturm
Haucht ihm Schauer übers Herz.
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wird der Regenwolke
Wird dem Schloßensturm
Entgegen singen
Wie die Lerche
Du dadroben.
Den du nicht verlassest, Genius,
Wirst ihn heben übern Schlammpfad
Mit den Feuerflügeln.
Wandeln wird er
Wie mit Blumenfüßen
Über Deukalions Flutschlamm
Python tötend, leicht, groß
Pythius Apollo.
Dem du nicht verlassest, Genius,
Wirst die wollnen Flügel unterspreiten,
Wenn er auf dem Felsen schläft,
Wirst mit Hüterfittichen ihn decken
In des Haines Mitternacht.
Wen du nicht verlassest, Genius,
Wirst im Schneegestöber
Wärmumhüllen.
Nach der Wärme ziehn sich Musen,
Nach der Wärme Charitinnen.
Umschwebt mich, ihr Musen,
Ihr Charitinnen! (= Grazien)
Das ist Wasser, das ist Erde
Und der Sohn des Wassers und der Erde,
Über den ich wandle
Göttergleich.
Ihr seid rein wie das Herz der Wasser,
Ihr seid rein wie das Mark der Erde,
Ihr umschwebt mich, und ich schwebe
Über Wasser über Erde
Göttergleich.
Soll der zurückkehren,
Der kleine schwarze feurige Bauer!
Soll der zurückkehren, erwartend
Nur deine Gaben, Vater Bromius, (= Dionysos; Bacchus)
Und helleuchtend umwärmend Feuer,
Der kehren mutig,
Und ich, den ihr begleitet,
Musen und Charitinnen all,
Den alles erwartet, was ihr,
Musen und Charitinnen,
Umkränzende Seligkeit
Rings ums Leben verherrlicht habt,
Soll mutlos kehren ?
Vater Bromius,
Du bist Genius,
Jahrhunderts Genius,
Bist, was innre Glut
Pindarn war,
Was der Welt
Phöb Apoll ist.
Weh! Weh l Innre Wärme,
Seelenwärme,
Mittelpunkt,
Glüh' entgegen
Phöb Apollen,
Kalt wird sonst
Sein Fürstenblick
Über dich vorübergleiten,
Neidgetroffen
Auf der Zeder Kraft verweilen,
Die zu grünen
Sein nicht harrt.
Warum nennt mein Lied dich zuletzt,
Dich, von dem es begann,
Dich, in dem es endet,
Dich, aus dem es quillt,
Jupiter Pluvius!
Dich, dich strömt mein Lied,
Und Castalischer Quell *
Rinnt, ein Nebenbach,
Rinnet müßigen
Sterblich Glücklichen
Abseits von dir,
Der du mich fassend deckst,
Jupiter Pluvius.
Nicht am Ulmenbaum
Hast du ihn besucht —
Mit dem Taubenpaar
In dem zärtlichen Arm,
Mit der freundlichen Ros' umkränzt,
Tändlenden ihn blumenglücklichen
Anakreon,
Sturmatmende Gottheit.
Nicht im Pappelwald
An des Sybaris Strand,
An des Gebürges
Sonnebeglänzter Stirn nicht
Faßtest du ihn,
Den bienensingenden
Honiglallenden
Freundlichwinkenden
Theokrit.
Wenn die Räder rasselten
Rad an Rad, rasch ums Ziel weg
Hoch flog
Siegdurchglühter
Jünglinge Peitschenknall,
Und sich Staub wälzt'
Wie vom Gebürg herab
Kieselwetter ins Tal,
Glüht deine Seel' Gefahren, Pindar,
Mut. — Glühte —
Armes Herz —
Dort auf dem Hügel,
Himmlische Macht,
Nur so viel Glut,
Dort meine Hütte,
Dort hin zu waten.
*
1 = Quelle am Fuß des Parnass; Ort der Dichtung
Entst. vermutlich Frühjahr 1772; 1774 an Jacobi geschickt; Text nach Handschrift Frau von Stein
1777 ; in die Schriften 1789 nicht aufgenommen.
Friedrich Schiller (1759 - 1805)
Hymne an den Unendlichen
Zwischen Himmel und Erd, hoch in der Lüfte Meer,
In der Wiege des Sturms trägt mich ein Zackenfels,
Wolken türmen
Unter mir sich zu Stürmen,
Schwindeln gaukelt der Blick umher,
Und ich denke dich, Ewiger.
Deinen schaudernden Pomp borge dem Endlichen
Ungeheure Natur! Du, der Unendlichkeit
Riesentochter,
Sei mir Spiegel Jehovas!
Seinen Gott dem vernünftigen Wurm
Orgle prächtig, Gewittersturm!
Horch! Er orgelt – Den Fels, wie er herunterdröhnt!
Brüllend spricht der Orkan Zebaoths Namen aus.
Kreaturen, erkennt ihr mich?
* (Erstdruck 1782)
Friedrich Schiller (1759 – 1805)
Dithyrambe
Nimmer, das glaubt mir,
Erscheinen die Götter,
Nimmer allein.
Kaum dass ich Bacchus den lustigen habe,
Kommt auch schon Amor, der lächelnde Knabe,
Phöbus der Herrliche findet sich ein.
Sie nahen, sie kommen
Die Himmlischen alle,
Mit Göttern erfüllt sich
Die irdische Halle.
Sagt, wie bewirt' ich,
Der Erdegeborne,
Himmlischen Chor?
Schenket mir euer unsterbliches Leben,
Götter! Was kann euch der Sterbliche geben?
Hebet zu eurem Olymp mich empor.
Die Freude, sie wohnt nur
In Jupiters Saale,
O füllet mit Nektar,
O reicht mir die Schale!
Reich ihm die Schale!
Schenke dem Dichter
Hebe nur ein.
Netz' ihm die Augen mit himmlischem Taue,
Dass er den Styx, den verhassten, nicht schaue,
Einer der Unsern sich dünke zu sein.
Sie rauschet, sie perlet,
Die himmlische Quelle,
Der Busen wird ruhig,
Das Auge wird helle.
*
Novalis (Friedrich von Hardenberg)
Hymnen an die Nacht
Handschriftliche Fassung
Welcher Lebendige
Sinnbegabte
Liebt nicht vor allen
Wundererscheinungen
Des verbreiteten Raums um ihn
Das allerfreuliche Licht -
Mit seinen Strahlen und Wogen,
Seinen Farben,
Seiner milden Allgegenwart
Im Tage.
Wie des Lebens
Innerste Seele
Atmet es die Riesenwelt
Der rastlosen Gestirne,
Die in seinem blauen Meere schwimmen,
Atmet es der funkelnde Stein,
Die ruhige Pflanze
Und der Tiere
Vielgestaltete,
Immerbewegte Kraft -
Atmen es vielfarbige
Wolken und Lüfte
Und vor allen
Die herrlichen Fremdlinge
Mit den sinnvollen Augen,
Dem schwebenden Gange
Und dem tönenden Munde;
Wie ein König
Der irdischen Natur
Ruft es jede Kraft
Zu zahllosen Verwandlungen
Und seine Gegenwart allein
Offenbart die Wunderherrlichkeit
Des irdischen Reichs.
Abwärts wend ich mich
Zu der heiligen, unaussprechlichen
Geheimnisvollen Nacht
Fernab liegt die Welt,
Wie versenkt in eine tiefe Gruft,
Wie wüst und einsam
Ihre Stelle!
Tiefe Wehmut
Weht in den Saiten der Brust.
Fernen der Erinnerung,
Wünsche der Jugend,
Der Kindheit Träume,
Des ganzen, langen Lebens
Kurze Freuden
Und vergebliche Hoffnungen
Kommen in grauen Kleidern,
Wie Abendnebel
Nach der Sonne
Untergang.
Fernab liegt die Welt
Mit ihren bunten Genüssen.
In ändern Räumen
Schlug das Licht auf
Die lustigen Gezelte.
Sollt es nie wiederkommen
Zu seinen treuen Kindern,
Seinen Gärten
In sein herrliches Haus?
Doch was quillt
So kühl und erquicklich,
So ahndungsvoll
Unterm Herzen
Und verschluckt
Der Wehmut weiche Luft?
Hast auch Du
Ein menschliches Herz,
Dunkle Nacht?
Was hältst Du
Unter Deinem Mantel,
Das mir unsichtbar kräftig
An die Seele geht?
Du scheinst nur furchtbar -
Köstlicher Balsam
Träuft aus Deiner Hand,
Aus dem Bündel Mohn.
In süßer Trunkenheit
Entfaltest Du die schweren Flügel des Gemüts.
Und schenkst uns Freuden
Dunkel und unaussprechlich,
Heimlich, wie Du selbst bist,
Freuden, die uns
Einen Himmel ahndenlassen.
Wie arm und kindisch
Dünkt mir das Licht,
Mit seinen bunten Dingen,
Wie erfreulich und gesegnet
Des Tages Abschied.
Also nur darum,
Weil die Nacht Dir
Abwendig macht die Dienenden,
Säetest Du
In des Raumes Weiten
Die leuchtenden Kugeln,
Zu verkünden Deine Allmacht,
Deine Wiederkehr
In den Zeiten Deiner Entfernung.
Himmlischer als jene blitzenden Sterne
In jenen Weiten
Dünken uns die unendlichen Augen,
Die die Nacht
In uns geöffnet.
Weiter sehn sie
Als die blässesten
Jener zahllosen Heere.
Unbedürftig des Lichts
Durchschaun sie die Tiefen
Eines liebenden Gemüts,
Was einen höhern Raum
Mit unsäglicher Wollust füllt.
Preis der Weltkönigin,
Der hohen Verkündigerin
Heiliger Welt,
Der Pflegerin
Seliger Liebe.
Du kommst. Geliebte -
Die Nacht ist da -
Entzückt ist meine Seele -
Vorüber ist der irdische Tag
Und Du bist wieder Mein.
Ich schaue Dir ins tiefe dunkle Auge,
Sehe nichts als Lieb und Seligkeit.
Wir sinken auf der Nacht Altar
Aufs weiche Lager -
Die Hülle fällt
Und angezündet von dem warmen Druck
Entglüht des süßen Opfers
Reine Glut.
(2)
Muß immer der Morgen wieder kommen?
Endet nie des Irdischen Gewalt?
Unselige Geschäftigkeit verzehrt
Den himmlischen Anflug der Nacht?
Wird nie der Liebe geheimes Opfer
Ewig brennen?
Zugemessen ward
Dem Lichte Seine Zeit
Und dem Wachen -
Aber zeitlos ist der Nacht Herrschaft,
Ewig ist die Dauer des Schlafs.
Heiliger Schlaf!
Beglücke zu selten nicht
Der Nacht Geweihte -
In diesem irdischen Tagwerk.
Nur die Toren verkennen Dich
Und wissen von keinem Schlafe
Als den Schatten,
Den du mitleidig auf uns wirfst
In jener Dämmmrung
Der wahrhaften Nacht.
Sie fühlen Dich nicht
In der goldnen Flut der Trauben,
In des Mandelbaums
Wunderöl
Und dem braunen Safte des Mohns.
Sie wissen nicht,
Daß Du es bist,
Der des zarten Mädchens
Busen umschwebt
Und zum Himmel den Schoß macht -
Ahnden nicht,
Daß aus alten Geschichten
Du himmelöffnend entgegen trittst
Und den Schlüssel trägst
Zu den Wohnungen der Seligen,
Unendlicher Geheimnisse
Schweigender Bote.
*
HYMNEN AN DIE NACHT
Der Druck im Athenäum
Welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raums um ihn, das allerfreuliche Licht - mit seinen Farben, seinen Strahlen und Wogen; seiner milden Allgegenwart, als weckender Tag. Wie des Lebens innerste Seele atmet es der rastlosen Gestirne Riesenwelt, und schwimmt tanzend in seiner blauen Flut - atmet es der funkelnde, ewig-ruhende Stein, die sinnige, saugende Pflanze, und das wilde; brennende, vielgestaltete Tier - vor allen aber der herrliche Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem schwebenden Gange, und den zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie ein König der irdischen Natur ruft es jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen, knüpft und löst unendliche Bündnisse, hängt sein himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um. - Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt.
Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt - wüst und einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. - Fernen der Erinnerung, Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freude und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. In andern Räumen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren?
Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmut weiche Luft? Hast auch du ein Gefall an uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüts hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt - ein ernstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht nun - wie erfreulich gesegnet des Tages Abschied - Also nur darum , weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, säetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkünden deine Allmacht - deine Wiederkehr - in den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, dünken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geöffnet. Weiter sehn sie, als blässesten jener zahllosen Heere - unbedürftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gemüts - was einen höhern Raum mit unsäglicher Wollust füllt. Preis der Weltkönigin, der hohen Verkündigerin heiliger Welten, der Pflegerin seliger Liebe -sie sendet mir dich - zarte Geliebte - liebliche Sonne der Nacht, nun wach ich - denn ich bin Dein und Mein - du hast die Nacht mir zum Leben verkündet - mich zum Menschen gemacht - zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht währt.
2
Muß immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt? unselige Geschäftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. - Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf - beglücke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Toren verkennen dich und wissen von keinem Schläfe, als dem Schatten, den du in jener Dämmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie fühlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben - in des Mandelbaums Wunderöl, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, daß du es bist, der des zarten Mädchens Busen umschwebt und zum Himmel den Schoß macht - ahnden nicht, dass aus alten Geschichten du himmelöffnend entgegentrittst und den Schlüssel trägst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.
Georg Herwegh (1817 - 1875)
Vive la République!
Beim Alpenglühen gedichtet
1840
Berg an Berg und Brand an Brand
Lodern hier zusammen;
Welch ein Glühen! - ha! so stand
Ilion einst in Flammen.
Ein versinkend Königshaus
Raucht vor meinem Blicke,
Und ich ruf ins Land hinaus:
Vive la république!
Heil'ge Gluten, reiner Schnee,
Golden Freiheitkissen,
Abendglanzumstrahlter See,
Schluchten, wild zerrissen -
Dass im Schweizerlandrevier
Sich kein Nacken bücke!
Kaiser ist der Bürger hier;
Vive la republique!
Eine Phalanx stehet fest,
Fest und ohne Wanken,
Und an euren Alpen messt
Euere Gedanken!
Eurer Berge Kette nur
Ward euch vom Geschicke;
Auf die Kette schrieb Natur:
Vive la république !
Blumen um die Schläfe her
Steigen eure Höhen,
Frisch, wie Venus aus dem Meer,
Auf aus euren Seen;
Dass aus deinem Jungfernkranz
Man kein Röschen knicke,
Schweizerin, hüt ihn wohl beim Tanz!
Vive la république!
Auf die Felsen wollte Gott
Seine Kirchen bauen;
Vor dem Felsen soll dem Spott
Seiner Feinde grauen!
Zwischen hier und zwischen dort
Gibt's nur eine Brücke.
Freiheit, o du Felsenwort
Vive la république!
Lyrikschadchens PDF Hymne
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