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Frühlingsblumen (Volkslied)
Herzlich tut mich erfreuen
Die fröhlich Sommerzeit,
All mein Geblüt verneuen,
Der Mai in Wollust freut,
Die Lerch tut sich erschwingen
Mit ihrem hellen Schall,
Lieblich die Vöglein singen,
Dazu die Nachtigall.
Der Kuckuck mit seinem Schreien
Macht fröhlich jedermann!
Des Abends fröhlich reihen
Die Mädlein wohlgetan;
Spazieren zu den Brunnen
Bekränzen sie zur Zeit,
Alle Welt sich freut in Wonnen
Mit Reisen fern und weit.
Es grünet in dem Walde,
Die Blumen blühen frei,
Die Röslein auf dem Feld
Von Farben mancherlei,
Ein Blümlein steht im Garten,
Das heißt Vergissnitmein,
Das edle Kraut zu warten
Macht guten Augenschein.
Ein Kraut wächst in der Aue
Mit Namen Wohlgemut,
Liebt sehr die schönen Frauen,
Dazu die Holderblüt,
Die weiß und rote Rosen
Hält man in großer Acht,
Tut’s Geld darum verlosen,
Schöne Kränze daraus macht.
Das Kraut Jelängerjelieber
An manchem Ende blüht,
Bringt oft ein heimlich Fieber,
Wer sich nicht dafür hüt;
Ich hab es oft vernommen,
Was dieses Kraut vermag,
Doch kann man dem vorkommen,
Wem lieb ist jeder Tag.
Des Morgens in dem T aue
Die Mädlein grasen gehn,
Gar lieblich sich anschauen
Bei schönen Blümlein stehn,
Daraus sie Kränzlein machen
Und schenkens ihrem Schatz.
Tun freundlich ihn anlachen
Und geben ihm ein Schmatz.
Darumb lob ich den Sommer,
Darzu den Maien gut,
Der wendet allen Kummer
Und bringt uns Freud und Mut;
Der Zeit will ich genießen,
Dieweil ich Pfennig hab;
Und den es tut verdrießen,
Der fall die Stiegen herab!
aus: Des Knaben Wunderhorn
Friedrich Spee von Langenfeld (1591 – 1835) – Trutznachtigall
Lob Gottes auß einer weitleuffigen Poëtischen beschreibung der frölichen SommerZeit. [22]
1.
Jetzt wicklet sich der Himmel auff
Jetzt wegen sich die Räder
Der Frühling rüstet sich zum lauff
Vmgürt mitt Rosenfeder
O wol, wie scheinbar, frisch, vnd kraus!
Wie glantzend Elementen!
Nitt mögens halber sprechen auß
Noch Redner, noch Scribenten.
O Gott, ich sing von hertzen mein,
Gelobet muß der Schöpffer sein.
2.
Du schnelle Post, o schöne Sonn!
O gülden Roß, vnd Wagen!
O reines Rad, auff reinem Brunn
Mitt zartem glantz beschlagen!
Jetzt schöpffest vns den besten Schein,
So Winters war verlohren,
Da Rad, vnd Eymer schienen sein
Von Kelt gar angefroren.
O Gott ich sing von hertzen mein,
Gelobet muß der Schöpffer sein.
3.
O reines Jahr! O schöner tag!
O Spiegelklare zeiten!
Zur Sommerlust nach Winterklag
Der Frühling vns wird leiten.
Jm lufft ich hör die Music schon,
Wie sichs mitt ernst bereite,
Daß vns empfang mitt süssem ton,
Vnd lieblich hinn begleite.
O Gott ich sing von hertzen mein,
Gelobet muß der Schöpffer sein.
4.
Für vns die schöne Nachtigal
Den Sommer laut begrüsset,
Jhr Stimmlein vber Berg, vnd Thal
Den gantzen lufft versüsset.
Die vöglein zart in grosser meng
Büsch, Heck, vnd Feld durchstreiffen,
Die Nester schon seind ihn zu eng,
Der Lufft klingt voller Pfeiffen
O Gott ich sing von hertzen mein
Gelobet muß der Schöpffer sein.

Paul Gerhardt (1607 – 1676)
Sommer-Gesang
Geh aus mein Herz, und suche Freud
In dieser lieben Sommerzeit
An deiens Gottes Gaben:
Schau an der schönen Gärten Zier,
Und siehe, wie sie mir uns dir
Sich ausgeschmücket haben.
Die Bäume stehen voller Laub,
Das Erdreich decket seinen Staub
Mit einem grünen Kleide:
Narzissus und die Tulipan,
Die ziehen sich viel schöner an
Als Salomonis Seide.
Die Lerche schwingt Sich in die Luft,
Das Täublein fleucht aus seiner Kluft
Und macht sich in die Wälder:
Die hochbegabte Nachtigall
Ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder.
Die Glucke führt ihr Völklein aus,
Der Storch baut und bewohnt sein Haus,
Das Schwälblein speist die Jungen;
er schnelle Hirsch, das leichte Reh
Ist froh und kommt aus seiner Höh
Ins tiefe Gras gesprungen.
Die Bächlein rauschen in dem Sand
Und malen sich und ihren Rand
Mit schattenreichen Myrthen:
Die Wiesen liegen hart dabei
Und klingen ganz vom Lustgeschrei
Der Schaf und ihrer Hirten.
Die unverdrossne Bienenschar
Zeucht hin und her, sucht hier und dar
Ihr' edle Honigspeise:
Des süßen Weinstocks starker Saft
Bringt täglich neue Stärk und Kraft
In seinem schwachen Reise.
Der Weizen wachset mit Gewalt,
Darüber jauchzet jung und alt
Und rühmt die große Güte
Des, der so überflüssig labt
Und mit so manchem Gut begabt
Das menschliche Gemüte.
Ich selbsten kann und mag nicht ruhn:
Des großen Gottes großes Tun
Erweckt mir alle Sinnen:
Ich singe mit, wenn alles singt,
Und lasse, was dem Höchsten klingt
Aus meinem Herzen rinnen.

Friedrich Gottlieb Klopstock (1723 – 1803)
Die Sommernacht
Wenn der Schimmer von dem Monde nun herab
In die Wälder sich ergießt, und Gerüche
Mit den Düften von der Linde
In den Kühlungen wehn;
So umschatten mich Gedanken an das Grab
Der Geliebten, und ich seh in dem Walde
Nur es dämmern, und es weht mir
Von der Blüte nicht her.
Ich genoss einst, o ihr Toten, es mit euch!
Wie umwehten uns der Duft und die Kühlung,
Wie verschönt warst von dem Monde,
Du o schöne Natur!
(1766)
Johann Georg Jacobi ( 1740 – 1814)
Der Sommertag
Wie Feld und Au
So blinkend im Tau!
Wie perlenschwer
Die Pflanzen umher!
Wie durch den Hain
Die Lüfte so rein!
Wie laut im hellen Sonnenstrahl
Die süßen Vöglein allzumal!
Ach, aber da,
Wo Liebchen ich sah,
Im Kämmerlein,
So nieder und klein,
So rings bedeckt,
Der Sonne versteckt -
Wo blieb die Erde weit und breit
Mit aller ihrer Herrlichkeit?
(1776)
Goethe hatte 1815 das Lied irrtümlich in seine Werke aufgenommen.
*
Johann Wolfgang Goethe ( 1749 – 1832)
Der Guckuck wie die Nachtigall,
Sie möchten den Frühling fesseln,
Doch drängt der Sommer schon überall
Mit Disteln und mit Nesseln.
Auch mir hat er das leichte Laub
An jenem Baum verdichtet,
Durch das ich sonst zu schönem Raub
Den Liebesblick gerichtet;
Verdeckt ist mir das bunte Dach,
Die Gitter und die Pfosten;
Wohin mein Auge spähend brach,
Dort ewig bleibt mein Osten.
aus: Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten VI. Berliner Musenalmanach 1830
(Osten lokalisiert die Richtung der aufgehenden Sonne und ist hier Metapher der Geliebten.)
Joseph von Eichendorff (1788 – 1857)
Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leibe entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.
(1834)
Karl Mayer (1786 – 1870)
Sommerreise
Blaudunkler, als die Lüfte blühn,
Sahn Nelken aus dem Saatengrün.
Den schönsten Farbengruß entbot
Durchsichtig, feuerpurpurrot
Der Ackermohn dem Sonnentag,
Und oben das Entzücken lag
Als Lerchensang in klarer Luft,
Berauscht von süßem Segensduft,
Da gab es viel zu stehn, zu preisen
Und langsam ging es mit dem Reisen.
Annette von Droste – Hülshoff (1797 – 1848)
Im Grase
Süße Ruh', süßer Taumel im Gras,
Von des Krautes Arom' umhaucht,
Tiefe Flut, tief, tief trunkne Flut,
Wenn die Wolke am Azure verraucht,
Wenn aufs müde schwimmende Haupt
Süßes Lachen gaukelt herab,
Liebe Stimme säuselt und träuft
Wie die Lindenblüt' auf ein Grab.
Wenn im Busen die Toten dann,
Jede Leiche sich streckt und regt,
Leise, leise den Odem zieht,
Die geschloßne Wimper bewegt,
Tote Lieb', tote Lust, tote Zeit,
All die Schätze, im Schutt verwühlt,
Sich berühren mit schüchternem Klang
Gleich den Glöckchen, vom Winde umspielt.
Stunden, flücht'ger ihr als der Kuß
Eines Strahls auf den trauernden See,
Als des ziehnden Vogels Lied,
Das mir niederperlt aus der Höh',
Als des schillernden Käfers Blitz
Wenn den Sonnenpfad er durcheilt,
Als der flücht'ge Druck einer Hand,
Die zum letzten Male verweilt.
Dennoch, Himmel, immer mir nur
Dieses eine nur; für das Lied
Jedes freien Vogels im Blau
Eine Seele, die mit ihm zieht,
Nur für jeden kärglichen Strahl
Meinen farbig schillernden Saum,
Jeder warmen Hand meinen Druck
Und für jedes Glück einen Traum.

August H. Hoffmann von Fallersleben (1798 – 1874)
Wie freu' ich mich der Sommerwonne!
Wie freu' ich mich der Sommerwonne,
Des frischen Grüns in Feld und Wald,
Wenn's lebt und webt im Glanz der Sonne
Und wenn's von allen Zweigen schallt!
Ich möchte jedes Blümchen fragen:
Hast du nicht einen Gruß für mich?
Ich möchte jedem Vogel sagen;
Sing, Vöglein, sing und freue dich!
Die Welt ist mein, ich fühl' es wieder:
Wer wollte sich nicht ihrer freu'n,
Wenn er durch frohe Frühlingslieder
Sich seine Jugend kann erneu'n?
Kein Sehnen zieht mich in die Ferne,
Kein Hoffen lohnet mich mit Schmerz:
Da wo ich bin, da bin ich gerne,
Denn meine Heimat ist mein Herz.
Friedrich Hebbel (1813 – 1863)
Sommerbild
Ich sah des Sommers letzte Rosen stehn,
Sie war, als ob sie bluten könne, rot;
Da sprach ich schauernd im Vorübergehn:
So weit im Leben, ist zu nah am Tod!

Es regte sich kein Hauch am heißen Tag,
Nur leise strich ein weißer Schmetterling;
Doch, ob auch kaum die Luft sein Flügelschlag
Bewegte, sie empfand es und verging.
Conrad Ferdinand Meyer ( 1825 –1898)
Schwüle
Trüb verglomm der schwüle Sommertag,
Dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag –
Sterne, Sterne – Abend ist es ja –
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Bleich das Leben! Bleich der Felsenhang!
Schilf, was flüsterst du so frech und bang?
Fern der Himmel und die Tiefe nah –
Sterne, warum seid ihr noch nicht da?
Eine liebe, liebe Stimme ruft
Mich beständig aus der Wassergruft –
Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!
Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?
Endlich, endlich durch das Dunkel bricht
Es war Zeit! Ein schwaches Flimmerlicht –
Denn ich wusste nicht, wie mir geschah.
Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah!
Detlev von Liliencron (1844 – 1909)
Einen Sommer lang
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
Wenn wir uns von ferne sehen
Zögert sie den Schritt,
Rupft ein Hälmchen sich im Gehen,
Nimmt ein Blättchen mit.
Hat mit Ähren sich das Mieder
Unschuldig geschmückt,
Sich den Hut verlegen nieder
In die Stirn gerückt.
Finster kommt sie langsam näher,
Färbt sich rot wie Mohn,
Doch ich bin ein feiner Späher,
Kenn die Schelmin schon.
Noch ein Blick in Weg und Weite,
Ruhig liegt die Welt,
Und es hat an ihre Seite
Mich der Sturm gesellt.
Zwischen Roggenfeld und Hecken
Führt ein schmaler Gang,
Süßes, seliges Verstecken
Einen Sommer lang.
*
Detlev von Liliencron (1844 – 1909)
Dorfkirche im Sommer
Schläfrig singt der Küster vor,
Schläfrig singt auch die Gemeinde.
Auf der Kanzel der Pastor
Betet still für seine Feinde.
Dann die Predigt, wunderbar,
Eine Predigt ohnegleichen.
Die Baronin weint sogar
Im Gestühl, dem wappenreichen.
Amen, Segen, Türen weit,
Orgelton und letzter Psalter.
Durch die Sommerherrlichkeit
Schwirren Schwalben, flattern Falter.

Arno Holz (1863 – 1929)
Die uralte Kornfeldlinde
Aus einem Kornfeld, schräg zum See,
schaltend, uralt,
rindenrissig, krummknorrig, breitästig, blitzdurchspalten,
bröckelnd voll Lehm,
hob sich
die
Linde.
Auf
schmalem Fußweg,
plauschplappernd, schlendernd, frohlässig,
an ihr vorbei,
zwischen
Raden, Klatschmohn, bunten Wicken,
Zyanen, Thymian,
Löwenmaul und Kamillen,
jeden Nachmittag, durch die Juliglut,
zum
Baden...wir...Jungens!
Der
strahlend
reine, hohe, blaue
Himmel;
die
hundert-, hundert-
und
aberhunderttausend
kleinen, süßduftend zarten,
klöppelig,
lichtgelblich, fädchenfein
hangenden
Blütenglöckchen... das... Bienengesumm!
Und
noch immer,
wenn die anderen alle
längst
unten waren,
aus dem Wasser klang ihr
Lachen,
Plätschern und Geschrei,
stand ich.
Und
sah den Himmel... und ... hörte die Bienen
und
sog... den ... Duft!
*

Stefan George (1868 – 1939)
JULI-SCHWERMUT
Blumen des sommers duftet ihr noch so reich:
Ackerwinde im herben saatgeruch
Du ziehst mich nach am dorrenden geländer
Mir ward der stolzen gärten sesam fremd.
Aus dem vergessen lockst du träume: das kind
Auf keuscher scholle rastend des ährengefilds
In ernte-gluten neben nackten schnittern
Bei blanker sichel und versiegtem krug.
Schläfrig schaukelten wespen im mittagslied
Und ihm träufelten auf die gerötete stirn
Durch schwachen schutz der halme-schatten
Des mohnes blätter: breite tropfen blut.
Nichts was mir je war raubt die vergänglichkeit.
Schmachtend wie damals lieg ich in schmachtender flur
Aus mattem munde murmelt es: wie bin ich
Der blumen müd . der schönen blumen müd!
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
Das Rosen-Innere
Wo ist zu diesem Innen
ein Außen? Auf welches Weh
legt man solches Linnen?
Welche Himmel spiegeln sich drinnen
in dem Binnensee
dieser offenen Rosen,
dieser sorglosen, sieh:
wie sie lose im Losen
liegen, als könnte nie
eine zitternde Hand sie verschütten.
Sie können sich selber kaum
halten; viele ließen
sich überfüllen und fließen
über von Innenraum
in die Tage, die immer
voller und voller sich schließen,
bis der ganze Sommer ein Zimmer
wird, ein Zimmer in einem Traum.
Ernst Stadler ( 1883 – 1914)
Die Rosen im Garten
Die Rosen im Garten blühn zum zweiten Mal.
Täglich schießen sie in dicken Bündeln
In die Sonne. Aber die schwelgerische Zartheit ist dahin,
Mit der ihr erstes Blühen sich im Hof des weiß und roten Sternfeuers wiegte.
Sie springen gieriger, wie aus aufgerissenen Adern strömend,
Über das heftig aufgeschwellte Fleisch der Blätter.
Ihr wildes Blühen ist wie Todesröcheln,
Das der vergehende Sommer in das ungewisse Licht des Herbstes trägt.
Alfred Lichtenstein (1883 – 1914)
Sommerabend
Faltenlos sind alle Dinge,
Wie vergessen, leicht und matt.
Heilighoch spült grüner Himmel
Stille Wasser an die Stadt.
Fensterschuster leuchten gläsern.
Bäckerläden warten leer.
Straßenmenschen schreiten staunend
Hinter einem Wunder her.
... Rennt ein kupferroter Kobold
Dächerwärts hinauf, hinab.
Kleine Mädchen fallen schluchzend
Von Laternenstöcken ab.
*
Joachim Ringelnatz (Hans Bötticher) (1883 – 1934)
Sommerfrische
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolken-weiß,
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.
Und schmücke den Hut, der dich begleitet,
Mit einem grünen Reis.
Verstecke dich faul in die Fülle der Gräser.
Weil's wohltut, weil's frommt.
Und bist du ein Mundharmonikabläser
Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.
Und lass deine Melodien lenken
Von dem freigegebenen Wolkengezupf.
Vergiss dich. Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.
*
Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Sommermittag am See
Der Mittag träumt. Der See bewegt sich träge.
Im einsam weißen Haus klagt das Klavier.
Die Uhr macht langsam ihre Stundenschläge.
Auf heißem Stein sonnt sich ein Katzentier.
Im Strandbad lassen sich die Menschen schmoren,
es riecht so sommerlich nach Holz und Teer.
Man fühlt sich ohne Pflichten, weltverloren,
und spürt den nahen Süden und sein Meer.
Indes in all den leeren Straßen drüben
gigantisch gähnend das Verdaun gedeiht,
der Essen Dünste jetzt die Lüfte trüben,
hält ihren Schlummer ungestört die Zeit.
Ein Flieger zieht am Himmel in die Weite,
es nahen sich Gewitterwölkchen sacht.
Und seltsam winterlich starrt das beschneite
Gebirge fern in seiner kalten Pracht.
(Juni oder Juli 1933)
Max Herrmann-Neiße (1886 – 1941)
Sommernacht
Vor deinen Sternen hab ich nicht Bestand,
du Sommernacht geschwisterlicher Nähe:
was Gutes auch durch meine Hand geschähe,
ist nichts vor deiner Ewigkeiten Brand!
Wohl steh ich, groß genug wie du entflammt;
Doch kurze Zeit nur, und die Glut verlischt,
kaum, daß Unfaßliches dem Blut sich mischt,
schon liegt es wieder träge und verschlammt.
Um so viel erdendumpfer währt mein Schlaf,
je menschvergeßner ich mich übernahm.
Zuletzt folgt jedem Werk nur tiefe Scham,
und Herrenspiel büß ich als ärmster Sklav’.
Des Astes Schatten an der Gartenwand
könnte mich töten, wenn ich nach ihm sähe;
hab’ ich vor dieser Sommernächte Nähe,
noch vor dem fernsten Stern doch nicht Bestand.
Georg Trakl (1887 – 1914)
Sommersneige
Der grüne Sommer ist so leise
Geworden, dein kristallenes Antlitz.
Am Abendweiher starben die Blumen,
Ein erschrockener Amselruf.
Vergebliche Hoffnung des Lebens. Schon rüstet
Zur Reise sich die Schwalbe im Haus
Und die Sonne versinkt am Hügel;
Schon winkt zur Sternenreise die Nacht.
Stille der Dörfer; es tönen rings
Die verlassenen Wälder. Herz,
Neige dich nun liebender
Über die ruhige Schläferin.
Der grüne Sommer ist so leise
Geworden und es läutet der Schritt
Des Fremdlings durch die silberne Nacht.
Gedächte ein blaues Wild seines Pfads,
Des Wohllauts seiner geistlichen Jahre!
*
Ernst Blass (1890 - 1939)
Der Sommer war ...
Der Sommer war opalen, und es fanden
Verschiedner Menschen Blick und Stimmen statt.
Unmerklich glitten wir durch Glasveranden
(An Kaffeetischen sitzend, große Fische,
Meerpflanzen, glasig, langsam sich bewegend,
Weißlich und lächelnd. Aber gegenüber
War stets die offne Muschel deines Mundes)
Und trieben immer schneller, um zu landen
Im vollen Leben einer grauen Stadt.
*
Ernst Blass (1890 - 1939)
Sommernacht
Das Sternbild vor mir heißt »Der große Bär«.
Und von den Menschen seh ich nur die Schatten
Und hör sie trällern nur die dummen, platten
Kupletchen, die da schwärmen vom Begatten
Und daß das das allein Reelle wär.
Durch stille Hauche keucht ein Katerschrei.
Doch Wolken wölben sich monumental
Da vorne, urhaft, wie ein Grönlandswal.
Und ohne Schicksal sitzt ganz groß und kahl
Der Mond vor seiner Riesenstaffelei.
(1912)
(aus: Johann Spratte, Zeit der Schwalben. Gedichte, Lechte Verlag Emsdetten 1975, S. 32)
Johann Spratte © (1901 – 1991)
Sommer
Der Sommer
ist ähnlich so wie der Winter,
nur mit Blättern, und ohne Mantel,
aber mit Mücken.
Außerdem sind im Sommer
die Tage länger,
das kommt von den kurzen Nächten.
Im Sommer
stellt der liebe Gott die Heizung an.
(Warum tut er das nicht im Winter,
wo es im Sommer doch sowieso
warm genug ist.)
(aus: Johann Spratte, Gelber Wiesenmond. Ausgewählte Gedichte., Lechte Verlag Emsdetten 1980, S. 96)
Ich danke ganz herzlich dem Sohn des Autors, Herrn Wido Spratte, Wallenhorst/ Lechtingen, für die
freundliche Abdruckerlaubnis; Februar 2011 siehe auch: In memoriam Johann Spratte
Albert Hiemer (1907 – 1990)
Sommer
Meine Haut
leihe ich der Sonne.
Alle Wege
gehen durch Badetücher.
Der Wind
hat sich hingelegt.
Er trocknet nicht mehr
die Schweißtropfen der Dächer.
Albert Hiemer (1907 – 1990)
Sommer
Den Vögeln
wächst das
Getreide entgegen.
Der Wind
malt selten Wolken.
Selbst Schatten der Rosen
duften.
Albert Hiemer (1907 – 1990)
Liegestuhl im Garten
Bahre des Sommers
bald hingetragen
in die dunkle
Ecke des Gartens.
Aber noch hebt sie
einen Leib
gegen den armen Wind.
*
Günter Kunert (1929 - 2019)
Sommer
In der Mittagshitze wenn alles schläft:
die Katze leblos auf der Seite
Die Fliege im Suppenteller
Blumen im Stehen
Einwohner hinter verhangenen Fenstern
satt und erfüllt von Ruhe vor den Stürmen
die meist im Glase enden
in Mittagshitze und in Schlaf
damit ein Kind durch Wiesen läuft
ohne Spur inmitten aller Halme
fern im Vergangenen:
Von allen atmosphärischen Erscheinungen
die eine die etwas anzeigt
wofür der Name Herbst noch nicht
das letzte Wort gewesen ist.
aus: Günter Kunert, Unterwegs nach Utopia, Berlin und Weimar 1980 S. 62, Aufbau-Verlag
Günter Kunert (1929 – 2019)
Sommermittag
Auf diesem verfilzten Grase
auf der Seite liegend:
Alles still
unter dem Boden
Aus dieser Stille kommen wir
und wollen doch niemals zurück
Unvorstellbar
daß die zarte Bewegung deiner Hand
deines Kopfes deines Mundes
dieser Kuß
flüchtig wie alle davor und danach
aus Lehm und Ton sich bildet
aus Mergel und Sand
Auf dem verfilzten Gras
auf der Seite liegend
habe ich solche Fragen gestellt
die schon die Antworten sind
Günter Kunert (1929 - 2019)
Beim Sommerflieder sitzend
Durchaus unbegreiflich
in solchem Garten eine Gestalt wie ich:
Produkt ohne Kalkül, unter Befürchtungen
aufgezogen zu vergessener Zeit,
ein innerstädtisches Erzeugnis,
unversehens im gewaltlosen Grün.
Still auf der Bank, Rastplatz
von einem Pfauenauge, das
mich nicht sieht. Atmende Flügel.
Unberührbar des farbigen Staubes
Symmetrie.
Verweile doch,
heißt dieser Abschnitt merklicher
Ewigkeit.
Bis wir beide uns erheben, jeder
in seine endgültige Richtung
fort und dahin.
*
(aus: Günter Kunert, Als das Leben umsonst war. Gedichte, München 2009, S. 49 Carl Hanser Verlag. Dem Autor Günter Kunert ein sehr herzliches Dankeschön für seine rasche Antwort vom 12. 08. 2012 und sein Einverständnis mit dem Abdruck hier.
Günter Kunert verstarb am 21. 09. 2019. R.I.P.
Jürgen Becker (* 1932)
Sommerabend
Jemand erzählt, wie er den Hanomag fuhr.
Tiefflieger, gleich brannte er aus. Drei Monate
im Straßengraben, dann trommelten im Wind
die Birnen auf den Schrott. Schöner Abend,
noch ein Rest in der Flasche. Die Tochter,
wenn das Telefon geht; sie wird den Stand
der Ehekrise melden. Die letzte Maschine
biegt überm Haus in die Einflugschneise. Lange
danach bleibt es still. Auch keine Zukunft,
später der Borgward. Er taumelt und kreiselt;
er schlägt, der Nachtfalter, gegen die Lampe.
Aus: Jürgen Becker, Dorfrand mit Tankstelle. Gedichte. Suhrkamp Verlag Frankfurt a.M. 2007 S. 61
(s. a. Motivkreis Krieg) Dem Büchner-Preisträger 2014 einen herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis auf meiner
Web-Seite; 19. 06. 2014
Horst Bingel © (1933 – 2008)
Sommer
Weißt du, als der Wind stillstand,
erinnere dich, die Schar der Raben,
die Hasenparade, die eine Nacht
im Sommer, im Mond.
Nein, ich bin es nicht.
Ich bin nicht Postbote im Postamt zwo,
weißt du, der eine Tag im August?
Du duftest nicht mehr nach Heu.
Wollen wir heute abend ins Kino gehen?
Freitag, hast du an Fisch gedacht?
Im nächsten Urlaub fahren wir zwei,
wie damals, nach Mallorca.
*
s. auch Motivkreis Liebe
aus: Horst Bingel, Den Schnee besteuern. Gedichte. Hrsg. von Werner Bucher und Virgilio Masciadri.
orte-Verlag, Oberegg und Zürich 2009, S. 72 -Frau Barbara Bingel ganz herzlichen Dank für die
Abdruckerlaubnis.
Peter Härtling (1933 - 2017)
Im Juni
Das gestapelte Holz
beginnt auszutrocknen
und zu wispern.
Endlich kannst du
mit dem Löffel
gegen die Tasse
schlagen
und den Morgen einläuten.
Ich frage dich,
welchen Sommer haben
wir
und welches Frühjahr ist uns
ohne Nachlaß
vergangen?
Die Gäste vom Vorjahr
haben ihre Stühle
in den Schatten
gerückt.
Wir beginnen ein
Gespräch
und überlassen es
ihnen.
Dein Schweigen hebe ich auf
für den Nachmittag,
*
(aus: Die Mörsinger Pappel. Gedichte. Luchterhand Verlag Darmstadt und Neuwied 1987 S. 56)
Am 09.05.2011 erhielt ich in einem freundlichen Brief vom 2017 verstorbenen Autor die Abdruckerlaubnis. R.I.P.
Doris Runge (* 1943)
zu früh
der wind
in den pappeln
schüttelt blätter
silberlinge
für eine handvoll
verrät er den sommer
*
Doris Runge (* 1943)
jahreszeiten
frühling
dem bettler
das herz in den hut
sommer
kirschen und küsse
mit hartem kern
herbst
lüftet den hut
kahl ist das feld
winter
die alten bilder ins feuer
der rücken bleibt kalt
(aus: Doris Runge, jaglied. Gedichte, DVA Stuttgart 1985, S. 18 und 27)
Der Autorin für ihren freundlichen Rückruf vom 03. 04. 2017, die Zustimmung zu meinem Projekt
und die Abdruckerlaubnis ganz herzlichen Dank.

Erich Adler © (* 1944)
Und tauscht den Blick …
Nach dreißig Jahren Tisch und Bett
erschreckt morgens die Frage:
Kennst du eigentlich
Einsamkeit
Ich streiche die Brösel vom Tisch
schiebe meiner Frau den Brotkorb in die Hand
Mit meiner Überraschung im Zwiegespräch
wandert die Frage
zu den sinkenden Nachrichten der Zeitung
Über die Kaffeetasse hinweg geschaut
tröpfelt Milch
Ja lache ich:
Einsamer noch
als Gottfried Benn im
August.
*
Erich Adler © (* 1944)
Digitalis
Für R. K. - 09. 08. ’07
. . . ein stück des wegs
kam mir sein Brief entgegen
ganz ohne Krallen
streichen mir die Zeilen über das Fell
das sich glättet in diesem
steinigen Sommer
bei jedem
aufrechten
Wort.
*
Erich Adler © (* 1944)
Nach langem Regen
streiten sich um den blauen Himmel
die kreischenden Mauersegler meines Nachbarn
mit dem dickfälligen
weißen Streifen aus dem Hinterteil
eines Flugzeugs
Für den Augenblick stellt sich Euphorie ein
Aus einem hohen Fenster steigen
Mordpläne des Nachrichtensprechers
herab ich verstreiche
Sommer
auf meinem Brot und dulde
wie Tauben auf den Gartentisch
scheißen.
*
heiß, aber noch nicht copyfrei:
Gottfried Benn (1886 -1956) Astern (Astern -, schwälende Tage)
Tag der den Sommer endet
Einsamer nie ... ( Einsamer nie als im August)
Rose Ausländer (1901 – 1988) Spätsommer (Die Farben der Anemonen/ werden bleich)
Günter Eich (1907 - 1972) Ende eines Sommers (Wer mochte leben ohne den Trost der Bäume!)
Christine Lavant (1915 – 1973) Aus den Steinen bricht der Schweiß
Ernst Jandl (1925 – 2000) Sommerlied (wir sind die menschen auf den wiesen)
Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) Die große Fracht ( - des Sommers ist verladen)
Jürgen Becker (* 1932) Vorort, Sommer, Nachmittag ( - so etwas von)
Reiner Kunze (* 1933) Verregneter Sommer (Morgen für morgen blickst du ins Land

Sarah Kirsch (1935 - 2013) Im Sommer (Dünnbesiedelt das Land)
Rolf Dieter Brinkmann (1940 – 1975) Einen jener klassischen (schwarzen Tango in Köln, Ende des/ Monats August)
Die Orangensaftmaschine (dreht sich & Es ist gut, dass der Barmann)
Guntram Vesper (* 1941) Sommerhexen (Im Schultergriff der Sonne)
Untergasse Sommerabend (Die Kinder zählen ab bis spät)
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