Thema: Interpretation eines Herbstgedichtes (3)
Aufgabe:
Untersuche eines der vier Gedichte in Hinblick auf seinen Aufbau, seine sprachlichen Mittel bzw. Wirkungen und den Inhalt. Berücksichtige die Fragen:
a) Wie geht der Autor mit dem Thema "Herbst" um? Greift er auf dir schon bekannte Bilder und Motive des Herbstes zurück? Spricht er menschliche Erfahrungen und über das Herbstmotiv hinaus zielende Lebensbereiche an?
b) Welche Situation, welche Stimmungslage vermittelt der lyrische Sprecher?
c) Welche Botschaft entnimmt der Leser dem jeweiligen Text?
Bemühe dich um den dreigliedrigen Interpretationsaufbau, formuliere einen geschlossenen Text, und nimm im Schlussteil auch Stellung zum Gedicht!
Viel Erfolg!
Luise Hensel (1798 – 1876)
Im Spätherbst
Schon ist es öd’ und stumm im Tal,
Der Bäume Blätterschmuck erbleicht,
Und meine Lerchen allzumal
Hat streng der Nord verscheucht.
Und matter wird der Sonne Schein,
Bald deckt nun Schnee der Wiese Grün –
Ach, meine Blümchen bunt und fein,
Sie mussten all verblühn.
Es zieht in mancherlei Gestalt
Der feuchte Nebel durch die Flur.
Wie ist sie doch so stumm und kalt,
Die schlummernde Natur!
Mich aber stört das Dunkel nicht,
Auch nicht der Stürme laut Gebrüll;
In meiner Seele ist’s so licht,
So wundermild und still.
(Berlin, (1813 – 1815)
Nikolaus Lenau (1802 – 1850)
Herbstentschluss
Trübe Wolken, Herbstesluft,
Einsam wandl' ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft -
Ach, wie stille! wie verlassen!
Todeskühl der Winter naht.
Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
Fluren, eurer vollen Saat
Goldne Wellen sind verronnen!
Es ist worden kühl und spät,
Nebel auf der Wiese weidet,
Durch die öden Haine weht
Heimweh; - Alles flieht und scheidet.
Herz, vernimmst du diesen Klang
Von den felsentstürzten Bächen?
Zeit gewesen war es lang,
Dass wir ernsthaft uns besprechen!
Herz, du hast dir selber oft
Wehgetan, und hast es Ändern,
Weil du hast geliebt, gehofft;
Nun ist's aus, wir müssen wandern!
Auf die Reise will ich fest
Ein dich schließen und verwahren,
Draußen mag ein linder 1 West
Oder Sturm vorüberfahren;
Dass wir unsern letzten Gang
Schweigsam wandeln und alleine,
Dass auf unsern Grabeshang
Niemand als der Regen weine!
Anm. 1: (Vers 23) lind = schwach, leicht
Max Dauthendey (1867 – 1918)
Jetzt ist es Herbst
Jetzt ist es Herbst,
Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.
Jetzt ist es Herbst, das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muß gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.
Ulrich Schacht (* 1951)
Herbst auf Falster 2 Anm. 2: dänische Insel
Himmel wölbt sich: marmorgrau
- Boote ruhn kieloben
Was gestern lichtzerrissen war
Zum Netz zusammengewoben.
Wer Farben sucht verlässt den Ort
er kann nur dunkle entdecken
Brombeerschwarz färbt Finger rot
von Hagebuttenhecken
fällt faulig überreife Frucht
auf windgeschmirgelten Boden
Das Meer wirft Muschelheere an Land
beginnt Gesträuch zu roden –
Wer sieht sieht Sturm Zusammenbruch
wo vorher Wurzelgrund war
Wer ahnungslos bleibt verläßt den Ort
und flüchtet ins alte Jahr.
(aus: Die vier Jahreszeiten. Reihe Reclam, 1991, 178 - hrsg.v. Eckart Kleßmann.)
Ulrich Schacht ganz herzlich gedankt für die aus Schweden gesandte Abdruckerlaubnis, August 2007
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