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  Lesen schadet den Augen

 

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                                           Ode

     - feierlich erhabene lyrische Form

    - reimlos (oft, nicht immer! Schillers Freude schöner Götterfunken  reimt!)

    -  Ihr/Du-Anrede

    - Sprecher bleibt trotz Ergriffenheit auf Distanz zu Themen wie:

     

         Freundschaft,  Gesellschaft, Gottesfrage (Theodizee), Natur, Ruhm, Staat usw.

      

    Die deutsche Odendichtung beginnt im Barock mit Paul Fleming (1609 -1640)   Martin Opitz (1597 - 1639) , Georg Rudolf Weckherlin (1584 - 1653),   Andreas Gryphius (1616 -1664); später  folgen Johann Chr. Gottsched (1700 -  1766) (nach französischen Vorbildern), Uz (1720 - 1796) und Friedrich    Gottlieb Klopstock (1723 - 1803), bei dem die Ode eine neue emotionale    Dimension erreicht. - Dann:  Friedrich Hölderlin (1770 - 1843) - Moderne    Versuche bei Joseph Weinheber (1892 - 1945), Werfel (1890 - 1945) u.a.m. 

 

    Jakob Balde / (Üb.: Andreas Gryphius)

     (1604 – 1668) /  ( 1616 – 1664)

     

    Entzückung / als er auff dem Kirchhoff / den Tod vnd

    die Gebeine der Verstorbenen betrachtet.

     

    Vbersetzet. Auß seiner Lateinischen Ode,

    Ut se feroces deniq;  littori etc. Lyricorum lib. II. Ode XXXIX

     

    Wie schläfft der tolle Sturm / der vngeheuren Wellen

    So sanfft an diesem Strand? Der Segel grimmes Prellen

    Vergeht / der Menschen Wahn vnd auffgeschwelte Pracht /

    Ist auff der gleichen Flutt in feste Ruh gebracht.

    Schau hin / wohin du schaust. Herrscht nichts als faules schweigen/

    Die Norden halten inn / kanst du Gewitter zeigen?

    Die Anfurt ist zu still / auch selbst die Furcht der See

    Deß Saltzes vngeheur starr't hart in seiner Höh.

    Schlägt denn der stoltze Schaum der Hoffart an die Klippen!

    Vnd spritzt vmb diesen Felß / hier kracht der Knall der Lippen

    Hier bricht die gantze Macht der Stürm im besten Lauff /

    Vnd giebt mit einem Stoß das harte Rasen auff.

    Der heisse Zorn verraucht / stracks schwinden alle Winde /

    Der Laster Zungen Ost / der Sud vergiffter Sünde /

    Der Hoffe zwirbel Geist / der Strudel harter Zeit /

    Das brausen hoher Pracht / der Tümpel von dem Neid.

    Ach Schweig! wofern du wilst den stummen Tod anhören:

    Er wird ohn Hertz vnd Mund dich offenhertzig Lehren /

    Vnd zeigen / was du seist : der Mensch der Zeiten Raub

    Ist (spricht er) was du sihst / die Handvoll Asch vnd Staub.

    Wir alle sind Verpflicht die schuld ihm abzugelten

    Der später / jener bald / kein Winden / Fluch noch schelten

    Hilfft wider diesen Schluß. Wer nicht mit' guttem wil /

    Muß wol gezwungen fort / wenn das gesteckte Ziel

    Dem schnellen Auffbruch rufft. Denn Schleust vns eine Hölen /

    Wir fürchten lange Zeit / was bald geschieht / die Seelen

    Stehn in dem schwachen Fleisch auff vnverhofften Fall /

    Man lebt / vmb daß man sterb / vns treugt der falsche Schall

    Der vngewissen Wort. Der Tod steckt in dem Leben.

    Dafern die Monat vns durch erstes Jahr begeben

    Treibt schon die Kindheit fort / was vor vnmündig hiß /

    In dem die Zärtligkeit der Kindheit vns verließ /

    Tritt schon die Jugend ein / man legt die Tocken nieder /

    Greifft Schwerdt vnd Feder an / stracks komt was Männlich wieder

    Vnd stöst die Jugend fort. Wenn vns der Bart verstellt /

    So bald der Jahre Reiff hart auff den Scheitel fällt /

    Reist vns die Farce fort / diß Leben ist ein Rauben!

    Wir leben auff der Flucht / sind (wo / was wahr / zu glauben /)

    Ertzmörder vnser selbst! wir stelen vns die Zeit /

    Vnd schriete vor dem Fuß; gehn nach der Ewigkeit

    Voll Vorwitz / altern stets auffs neu / nie die wir waren /

    Vnd stets doch die wir sind / so viel vns Tag entfahren /

    So vielmal ändern wir / von tausend Arten reich /

    Von tausend Tränen blöd' / vnd keine Stund vns gleich.

    Halt schöner Protheus halt! Kehr vmb von deinen Wegen /

    Wenn du auff Gottes Schluß denn Spilschmuck ab wirst-legen

    Vnd man dein todten-Pfandt den Vätern beygesetzt

    Die in der schwartzen Grufft Stanck / Faul vnd Zeit verletzt;

    Wird dein verstellt Gesicht durchauß der ärmsten Leichen

    (Sey itzt auch wer du bist / vnd wer du sein wilst) gleichen.

    Man setzt gediegen Ertz vnd Spreu auff einen Wehrt

    Man schätzt den schwachen Kahn / der über Bäche fehrt

    So / wie das stärckste Schiff! kom! trotz auff tausend Ahnen!

    Es mögen tausend dir den Weg zum Reichthum bahnen!

    Der Tod fragt warlich viel nach Mangel oder Pracht!

    Ob dich der Winter quält ob dir die Sonne lacht.

    Wo kenn ich / welche Faust Hack oder Zepter führte?

    Vnd Sensen oder Schwerdt? welch Haupt die Krone ziehrte?

    Vnd wehm der Haare Schmuck die gleiche Scheer abschnied?

    Die Häuften sind vermischt / man weiß nicht welcher lidt /

    Man siht nicht wer ihn Zwang: die Rosen sind verblichen /

    Die Liljen sind verwelckt / die Haut ist abgestrichen /

    Die Knochen sonder Fell / die kale Scheitel bleckt /

    Wie wenn der raue Frost die dürren Bäum entdeckt /

    Der Vnterscheid besteht auff dem / das nicht bestehet!

    Wo ist der Wangen Schnee mit Purpurrött erhöhet?

    Wo ist die glatte Stirn / vor welcher Elften Bein

    Vnd Rosen rau / vnd / Schwarz! vnd Alabaster-Stein

    Als tod vnd sonder Glantz? wo sind die göldnen Haare?

    Wohin der Haare Krantz? der teuren Perlen Wahre /

    Wo ist der Augen-Glantz? die Flamme funckelt nicht.

    Die grüne Schlang vmbzog das liebliche Gesicht

    Vnd riß die Sternen auß /mit den die Liebe spielet /

    Die Nater hat den Sitz der Freundligkeit durchwühlet.

    Was mag mehr scheutzlich sein / als dieser Holen Par /

    Vnd die nicht gantze Naß? vnd Zähne / die die Jahr

    Entreyet vnd verstreut? die Zung' ist außgerissen!

    Deß Gaumens zartes Fleisch von Wurmen gantz zubissen.

    Die Kahle weggenagt / nun schweigt der wehrte Mund /

    Wo nicht der Schlangen Heer zischt durch den wüsten Schlund.

    Vnd schätzt man noch den Kaick der weißgeschmünckten Wangen?

    Die Kreide deß Gesichts / das mehr denn halb vergangen?

    Den gläntzenden Betrug / der Stirn vnd Back' aufffrischt /

    Wenn die geschwinde Zeit die Farben außgewischt.

    Was vnterläst ein Weib die Glieder auß zu schmücken /

    Die endlich in der Grufft in Maden sich zerstücken?

    Ob schon das Ebenbild der trefflichsten Gestalt

    Von dem geschleifften Eiß deß glatten Spiegels Pralt.

    Sie sucht sich ausser sich: als wenn sie sich verlohren /

    Sie siht / wie in dem Glaß ihr Antlitz neu gebohren /

    Vnd wird / wenn sie sich selbst erblickt / in sich verliebt /

    Sie / die sich ihr doch selbst nicht zu genissen gibt /

    Komt / die ihr darumb lebt / vmb daß man euch nur schaue;

    Hier ist die beste Schminck' / komt Schönsten / keiner graue.

    Die Häupter / die der Welt längst gutte Nacht gesagt;

    Entdecken euch die Kunst nach der ihr ewig fragt /

    Wie man die Stirn außglätt' vnd Runtzeln auß sol reiben /

    Wie weit der Haare Gräntz vnd Locken-Schmuck zu treiben

    Was recht beständig-weiß. Was vnvergänglich-schön.

    Wie fleucht mein Phoebus fort / last er mich einsam stehn?

    ENDE.                   

 

     

    Friedrich  Gottlieb Klopstock (1724 - 1803)

    Der Zürchersee

     

    Schön ist, Mutter Natur, deiner Erfindung Pracht

    Auf die Fluren verstreut, schöner ein froh Gesicht,

        Das den großen Gedanken                                                                                                                                 Deiner Schöpfung noch einmal  denkt.

     

    Von des schimmernden Sees Traubengestaden her,

    Oder, flohest du schon wieder zum Himmel auf,

                      Komm in rötendem Strahle

                                       Auf dem Flügel der Abendluft,

     

    Komm, und lehre mein Lied jugendlich heiter sein,

    Süße Freude, wie du! gleich dem beseelteren

                        Schnellen Jauchzen des Jünglings,

                                        Sanft, der fühlenden Fanny gleich.

     

    Schon lag hinter uns weit Uto, an dessen Fluss

    Zürch in ruhigem Tal freie Bewohner nährt;

          Schon war manches Gebirge  

                Voll von Reben vorbeigeflohn.

     

    Jetzt entwölkte sich fern silberner Alpen Höh,

    Und der Jünglinge Herz schlug schon empfindender

         Schon verriet es beredter

            Sich der schönen Begleiterin.

         

    »Hallers Doris«, die sang, selber des Liedes wert

    Hirzels Daphne, den Kleist innig wie Gleimen liebt;

        Und wir Jünglinge sangen

          Und empfanden wie Hagedorn

         

    Jetzo nahm uns die Au in die beschattenden

    Kühlen Arme des Walds, welcher die Insel krönt;

      Da, da kämest du, Freude!                                                                                                                                                                                                              Volles Maßes auf uns herab                                                                                                                                                                                                                                                                                                        

    Göttin Freude, du selbst! dich, wir empfanden dich!

    Ja, du wärest es selbst, Schwester der Menschlichkeit

      Deiner Unschuld Gespielin,

                            Die sich über uns ganz ergoß!

     

    Süß ist, fröhlicher Lenz, deiner Begeistrung Hauch,

    Wenn die Flur dich gebiert, wenn sich dein Odem sanft

                In der Jünglinge Herzen

                            Und die Herzen der Mädchen gießt.

     

    Ach, du machst das Gefühl siegend, es steigt durch dich

    Jede blühende Brust schöner, und bebender,

                Lauter redet der Liebe

                            Nun entzauberter Mund durch dich!

     

    Lieblich winket der Wein, wenn er Empfindungen,

    Beßre sanftere Lust, wenn er Gedanken winkt,

                Im sokratischen Becher

         Von der tauenden Ros' umkränzt;

         

    Wenn er dringt bis ins Herz, und zu Entschließungen

    Die der Säufer verkennt, jeden Gedanken weckt,

                Wenn er lehret                                                                                                                                                          Was nicht würdig des Weisen ist.

     

    Reizvoll klinget des Ruhms lockender Silberton

    In das schlagende Herz, und die Unsterblichkeit                                                                                                                                                                                              Ist ein großer Gedanke                                                                                                                                                                                                                                       Ist des Schweißes der Edlen wert!

     

    Durch der Lieder Gewalt bei der Urenkelin

    Sohn und Tochter noch sein; mit der Entzückung Ton

            Oft beim Namen genennet,

                           Oft gerufen vom Grabe her

     

    Dann ihr sanfteres Herz bilden, und, Liebe, dich,

    Fromme Tugend, dich auch gießen ins sanfte Herz,

                Ist, beim Himmel! nicht wenig!

                            Ist des Schweißes der Edlen wert!

     

    Aber süßer ist noch, schöner und reizender,

    In dem Arme des Freunds wissen ein Freund zu sein!

                So das Leben genießen

                              Nicht unwürdig der Ewigkeit!

     

    Treuer Zärtlichkeit voll, in den Umschattungen,

    In den Lüften des Walds, und mit gesenktem Blick                                                                                                                                                                                            Auf die silberne  Welle                                                                                                                                                             Tat ich schweigend den frommen Wunsch:

         

    Wäret ihr auch bei uns, die ihr mich ferne liebt,

    In des Vaterlands Schoß einsam von mir verstreut,

                Die in seligen Stunden

                            Meine suchende Seele fand;

     

    O so bauten wir hier Hütten der Freundschaft uns!

    Ewig wohnten wir hier, ewig! Der Schattenwald

                Wandelt' uns sich in Tempe,

           Jenes Tal in Elysium!

                                                                  (1750)

     

     

    Kleine Hilfe zu den Namen:

    Fanny: poetischer Name für Klopstocks Jugendliebe

    Uto: der Ütliberg. 

    Hallers Doris: Titel eines Gedichtes von Albrecht von Haller (1708-1777).

    Hirzel: Arzt in Zürich. Daphne: seine Frau, als antike Nymphe bezeichnet.  

    der Dichter Ewald Christian von Kleist (1715-17 59).  

    Ludwig von Gleim (1719-180^).  

    Friedrich Hagedorn,  der Dichter (1708-1754)  

    Au: Insel im Züricher See.                                                                                                                             Tempe:Tal am Fuße des Olymp.

     

     

    Friedrich Schiller ( 1759 - 1805)

    Die Teilung der Erde

     

    Da! Nehmt sie hin, die Welt! rief Zevs von seinen Höhen

      Den Menschenkindern zu. Nehmt! Sie soll euer sein.

    Euch schenk ich sie zum ewgen Lehen,

      Doch teilt euch brüderlich darein!

       

    Da griff, was Hände hatte, zu, sich einzurichten,

      Es regte sich geschäftig Jung und Alt.

    Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,

      Der Junker birschte durch den Wald.

       

    Der Kaufmann füllte hurtig sein Gewölb, die Scheune

      Der Fermier, das Faß der Seelenhirt,

    Der König sagte: Jeglichem das Seine:

      Und mein ist — was geerntet wird!

       

    Ganz spät erschien, nachdem die Teilung längst geschehen,

      Auch der Poet, (er kam aus weiter Fern)

    Ach! Da war überall nichts mehr zu sehen,

      Und alles hatte seinen Herrn.

       

    »Weh mir! So soll denn ich allein von allen

      Vergessen sein, ich dein getreuster Sohn!«

    So ließ er laut der Klage Ruf erschallen,

      Und warf sich hin vor Jovis Thron.

       

    Wenn du zu lang dich in der Träume Land verweilet,

      Antwortete der Gott, so hadre nicht mit mir.

    Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?

      »Ich war, sprach der Poet, bei dir.«

       

    »Mein Auge hing an deinem Strahlenangesichte,

      An deines Himmels Harmonie mein Ohr,

    Verzeih dem Geiste, der von deinem Lichte

      Berauscht, das Irdische verlor!«

       

    Was kann ich tun, spricht Zevs. Die Welt ist weggegeben,

      Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.

    Willst du in meinem Himmel mit mir leben?

          So oft du kommst, er soll dir offen sein.

              *

                                                                                  Lyrikschadchens PDF- Ode                 

       Klopstock - Ode über die ernsthaften Vergnügungen des Landlebens (1759)

                         später: Die Frühlingsfeier (1771)

                    s.  Werkstattarbeit Die Leiden des jungen Werther(s)

                       

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