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  Lesen schadet den Augen

 

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          (historische) Heldenballade:

       

      Gottfried August Bürger (1747 – 1794)

      Das Lied vom braven Mann 

       

         Hoch klingt das Lied vom braven Mann,

      Wie Orgelton und Glockenklang.

      Wer hohen Muts sich rühmen kann,

      Den lohnt nicht Gold, den lohnt Gesang.

      Gottlob! dass ich singen und preisen kann:

      Zu singen und preisen den braven Mann.

       

         Der Tauwind kam vom Mittagsmeer,

      Und schnob durch Welschland, trüb und feucht.

      Die Wolken flogen vor ihm her,

      Wie wann der Wolf die Herde scheucht.

      Er fegte die Felder; zerbrach den Frost!

      Auf Seen und Strömen das Grundeis borst.

       

         Am Hochgebirge schmolz der Schnee;

      Der Sturz von tausend Wassern scholl;

      Das Wiesental begrub ein See;

      Des Landes Heerstrom wuchs und schwoll;

      Hoch rollten die Wogen, entlang ihr Gleis,

      Und rollten gewaltige Felsen Eis.

       

         Auf Pfeilern und auf Bogen schwer,

      Aus Quaderstein von unten auf,

      Lag eine Brücke drüber her;

      Und mitten stand ein Häuschen drauf.

      Hier wohnte der Zöllner, mit Weib und Kind.

      »O Zöllner! O Zöllner! Entfleuch geschwind!«

       

         Es dröhnt' und dröhnte dumpf heran,

      Laut heulten Sturm und Wog' ums Haus.

      Der Zöllner sprang zum Dach hinan

      Und blickt' in den Tumult hinaus.

      »Barmherziger Himmel! Erbarme dich!

      Verloren! Verloren! Wer rettet mich? «

       

         Die Schollen rollten, Schuss auf Schuss,

      Von beiden Ufern, hier und dort,

      Von beiden Ufern riss der Fluss.

      Die Pfeiler samt den Bogen fort.

      Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,

      Er heulte noch lauter als Strom und Wind.

       

         Die Schollen rollten, Stoß auf Stoß,

      An beiden Enden, hier und dort,

      Zerborsten und zertrümmert, schoss

      Ein Pfeiler nach dem andern fort.

      Bald nahte der Mitte der Umsturz sich.

      »Barmherziger Himmel! Erbarme dich! «

       

         Hoch auf dem fernen Ufer stand

      Ein Schwärm von Gaffern, groß und klein;

      Und jeder schrie und rang die Hand,

      Doch mochte niemand Retter sein.

      Der bebende Zöllner, mit Weib und Kind,

      Durchheulte nach Rettung den Strom und Wind.

       

         Wann klingst du, Lied vom braven Mann,

      Wie Orgelton und Glockenklang ?

      Wohlan! So nenn' ihn, nenn' ihn dann!

      Wann nennst du ihn, mein schönster Sang?

      Bald nahet der Mitte der Umsturz sich.

      O braver Mann! braver Mann! zeige dich!

       

         Rasch galoppiert ein Graf hervor,

      Auf hohem Ros ein edler Graf.

      Was hielt des Grafen Hand empor?

      Ein Beutel war es, voll und straff.

      »Zweihundert Pistolen sind zugesagt

      Dem, welcher die Rettung der Armen wagt.«

       

         Wer ist der Brave? Ist's der Graf?

      Sag an, mein braver Sang, sag an!

      Der Graf, beim höchsten Gott! war brav!

      Doch weiß ich einen bravern Mann.

      O braver Mann! braver Mann ! zeige dich!

      Schon naht das Verderben sich fürchterlich.

       

         Und immer höher schwoll die Flut;

      Und immer lauter schnob der Wind;

      Und immer tiefer sank der Mut.

      O Retter! Retter! Komm geschwind!

      Stets Pfeiler bei Pfeiler zerborst und brach.

      Laut krachten und stürzten die Bogen nach.

       

         »Hallo! Hallo! Frisch auf gewagt! «

      Hoch hielt der Graf den Preis empor.

      Ein jeder hört's, doch jeder zagt,

      Aus Tausenden tritt keiner vor.

      Vergebens durchheulte, mit Weib und Kind,

      Der Zöllner nach Rettung den Strom und Wind.

       

         Sieh, schlecht und recht, ein Bauersmann

      Am Wanderstabe schritt daher,

      Mit grobem Kittel angetan,

      An Wuchs und Antlitz hoch und hehr.

      Er hörte den Grafen, vernahm sein Wort,

      Und schaute das nahe Verderben dort.

       

         Und kühn in Gottes Namen sprang

      Er in den nächsten Fischerkahn;

      Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang

      Kam der Erretter glücklich an:

      Doch wehe! der Nachen war allzuklein,

      Der Retter von allen zugleich zu sein.

       

         Und dreimal zwang er seinen Kahn,

      Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang;

      Und dreimal kam er glücklich an,

      Bis ihm die Rettung ganz gelang.

      Kaum kamen die letzten in sichern Port,

      So rollte das letzte Getrümmer fort.

       

         Wer ist, wer ist der brave Mann?

      Sag an, sag an, mein braver Sang!

      Der Bauer wagt' ein Leben dran:

      Doch tat er's wohl um Goldesklang?

      Denn spendete nimmer der Graf sein Gut,

      So wagte der Bauer vielleicht kein Blut.

       

         »Hier«, rief der Graf, »mein wackrer Freund!

      Hier ist dein Preis! Komm her! Nimm hin! «

      Sag an, war das nicht brav gemeint?

      Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn.

      Doch höher und himmlischer, wahrlich! schlug

      Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.

       

         »Mein Leben ist für Gold nicht feil.

      Arm bin ich zwar, doch ess' ich satt.

      Dem Zöllner werd' Eu'r Gold zuteil,

      Der Hab' und Gut verloren hat! «

      So rief er, mit herzlichem Biederton,

      Und wandte den Rücken und ging davon.

       

         Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,

      Wie Orgelton und Glockenklang!

      Wer solchen Muts sich rühmen kann,

      Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.

      Gottlob! dass ich singen und preisen kann,

      Unsterblich zu preisen den braven Mann.

       

                                   *

 

      Ferdinand Freiligrath (1810 – 1876)

      Prinz Eugen, der edle Ritter

       

      Zelte, Posten, Werda-Rufer!

      Lustge Nacht am Donauufer!

      Pferde stehn im Kreis umher

      Angebunden an den Pflöcken;

      An den engen Sattelböcken

      Hangen Karabiner schwer.

       

      Um das Feuer auf der Erde,

      Vor den Hufen seiner Pferde

      Liegt das östreich’sche Pikett.                (= Vorpostentruppe)

      Auf dem Mantel liegt ein jeder,

      Von den Tschakos weht die Feder.         ( = Uniformmütze)

      Leutnant würfelt und Kornett.               ( = junger Offizier)

       

      Neben seinem müden Schecken

      Ruht auf einer wollnen Decken

      Der Trompeter ganz allein:

      »Lasst die Knöchel, lasst die Karten!

      Kaiserliche Feldstandarten

      Wird ein Reiterlied erfreun!

       

      Vor acht Tagen die Affäre

      Hab ich, zu Nutz dem ganzen Heere,

      In gehörgen Reim gebracht;

      Selber auch gesetzt die Noten;

      Drum, ihr Weißen und ihr Roten

      Merket auf und gebet acht!«

       

      Und er singt die neue Weise

      Einmal, zweimal, dreimal leise

      Denen Reitersleuten vor;

      Und wie er zum letzten Male

      Endet, bricht mit einem Male

      Los der volle kräftge Chor:

       

      »Prinz Eugen, der edle Ritter!«

      Hei, das klang wie Ungewitter

      Weit ins Türkenlager hin.

      Der Trompeter tat den Schnurrbart streichen

      Und sich auf die Seite schleichen

      Zu der Marketenderin.

 

            *

 

      Theodor Fontane ( 1819 – 1898)

      Archibald Douglas

       

      »Ich hab es getragen sieben Jahr,

      Und ich kann es nicht tragen mehr!

      Wo immer die Welt am schönsten war,

      Da war sie öd und leer.

       

      Ich will hintreten vor sein Gesicht

      In dieser Knechtsgestalt,

      Er kann meine Bitte versagen nicht,

      Ich bin ja worden alt.

       

      Und trüg er noch den alten Groll,

      Frisch wie am ersten Tag,

      So komme, was da kommen soll,

      Und komme, was da mag.«

       

      Graf Douglas sprichts. Am Weg ein Stein

      Lud ihn zu harter Ruh,

      Er sah in Wald und Feld hinein,

      Die Augen fielen ihm zu.

       

      Er trug einen Hämisch rostig und schwer,

      Darüber ein Pilgerkleid. -

      Da horch! vom Waldrand scholl es her

      Wie von Hörnern und Jagdgeleit.

       

      Und Kies und Staub aufwirbelte dicht,

      Her jagte Meut und Mann,

      Und ehe der Graf sich aufgericht't,

      Waren Roß und Reiter heran.

       

      König Jakob saß auf hohem Roß,

      Graf Douglas grüßte tief;

      Dem König das Blut in die Wange schoß,

      Der Douglas aber rief:

       

      »König Jakob, schaue mich gnädig an

      Und höre mich in Geduld,

      Was meine Brüder dir angetan,

      Es war nicht meine Schuld.

       

      Denk nicht an den alten Douglasneid,

      Der trotzig dich bekriegt,

      Denk lieber an deine Kinderzeit,

      Wo ich dich auf den Knien gewiegt.

       

      Denk lieber zurück an Stirling-Schloß,

      Wo ich Spielzeug dir geschnitzt,

      Dich gehoben auf deines Vaters Roß

      Und Pfeile dir zugespitzt.

       

      Denk lieber zurück an Linlithgow,

      An den See und den Vogelherd,

      Wo ich dich fischen und jagen froh

      Und schwimmen und springen gelehrt.

       

      0 denk an alles, was einsten war,

      Und sänftige deinen Sinn -

      Ich hab es gebüßet sieben Jahr,

      Daß ich ein Douglas bin.«

       

      »Ich seh dich nicht, Graf Archibald,

      Ich hör deine Stimme nicht,

      Mir ist, als ob ein Rauschen im Wald

      Von alten Zeiten spricht.

       

      Mir klingt das Rauschen süß und traut,

      Ich lausch ihm immer noch,

      Dazwischen aber klingt es laut:

      Er ist ein Douglas doch.

       

      Ich seh dich nicht, ich höre dich nicht,

      Das ist alles, was ich kann -

      Ein Douglas vor meinem Angesicht

      War ein verlorener Mann.«

       

      König Jakob gab seinem Roß den Sporn,

      Bergan ging jetzt sein Ritt,

      Graf Douglas faßte den Zügel vorn

      Und hielt mit dem Könige Schritt.

       

      Der Weg war steil, und die Sonne stach,

      Und sein Panzerhemd war schwer,

      Doch ob er schier zusammenbrach,

      Er lief doch nebenher.

       

      »König Jakob, ich war dein Seneschall,

      Ich will es nicht fürder sein,

      Ich will nur warten dein Roß im Stall

      Und ihm schütten die Kömer ein.

       

      Ich will ihm selber machen die Spreu

      Und es tränken mit eigner Hand,

      Nur laß mich atmen wieder aufs neu

      Die Luft im Vaterland!

       

      Und willst du nicht, so hab einen Mut,

      Und ich will es danken dir,

      Und zieh dein Schwert und triff mich gut

      Und laß mich sterben hier.«

       

      König Jakob sprang herab vom Pferd,

      Hell leuchtete sein Gesicht,

      Aus der Scheide zog er sein breites Schwert,

      Aber fallen ließ er es nicht.

       

      »Nimms hin, nimms hin und trag es neu

      Und bewache mir meine Ruh!

      Der ist in tiefster Seele treu,

      Wer die Heimat liebt wie du.

       

      Zu Roß, wir reiten nach Linlithgow,

      Und du reitest an meiner Seit,

      Da wollen wir fischen und jagen froh

      Als wie in alter Zeit.«

                     

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