“... Lesen schadet den Augen! ”

 

                                       Weihnachten

 

    Johann W. Goethe  (1749 -1832)

    Epiphaniasfest 

    Die heiligen drei Kön'ge mit ihrem Stern,

    sie essen, sie trinken und bezahlen nicht gern;

    sie essen gern, sie trinken gern,

    sie essen, sie trinken und bezahlen nicht gern.

     

    Die heiligen drei Kön'ge, sie kommen allhier,

    es sind ihrer drei und nicht ihrer vier,

    und wenn zu drein der vierte wär,

    so wär ein heiliger drei König mehr.

     

    Ich erster bin der weiß und auch der schön,

    bei Tage solltet ihr mich erst sehn!

    Doch ach, mit allen Spezerein

    werd ich mein Tag kein Mädchen mehr erfreun.

     

    Ich aber bin der braun und bin der lang,

    bekannt bei Weibern wohl und bei Gesang;

    ich bringe Gold statt Spezereien,

    da wird ich überall willkommen sein.

     

    Ich endlich bin der schwarz und bin der klein

    und mag auch wohl einmal recht lustig sein.

    Ich esse gern, ich trinke gern.,

    ich esse, trinke und bedanke mich gern.

     Die heiligen drei König sind wohl gesinnt,

    sie suchen die Mutter und das Kind;

    der Joseph fromm sitzt und auch dabei,

    der Ochs und Esel liegen auf der Streu.

     

    Wir bringen Myrrhen, wir bringen Gold,

    dem Weihrauch sind die Damen hold,

    und haben wir Wein von gutem Gewächs,

    so trinken wir drei so gut wie ihrer sechs.

     

    Da wir hier nun schöne Herrn und Fraun,

    aber keine Ochs und Esel schaun,

    so sind wir nicht am rechten Ort

    und ziehen unseres Weges weiter fort.

     

           

         Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)

         Weihnachten

         Markt und Straßen stehn verlassen,

        Still erleuchtet jedes Haus,

        Sinnend geh ich durch die Gassen,

        Alles sieht so festlich aus.

         

        An den Fenstern haben Frauen

        Buntes Spielzeug fromm geschmückt,

        Tausend Kindlein stehn und schauen,

        sind so wunderstill beglückt.

         

        Und ich wandre aus den Mauern

        Bis hinaus ins freie Feld,

        Hehres Glänzen, heilges Schauern!

        Wie so weit und still die Welt!

         

        Sterne hoch die Kreise schlingen,

        Aus des Schnees Einsamkeit

        Steigts wie wunderbares Singen -

        O du gnadenreiche Zeit!

         

     

        Heinrich Heine (1797 - 1856)

         Die Heil'gen Drei Könige

         Die Heil'gen Drei Könige aus Morgenland,

        Sie frugen in jedem Städtchen:

        "Wo geht der Weg nach Bethlehem,

        Ihr lieben Buben und Mädchen?"

         

        Die Jungen und Alten, sie wussten es nicht,

        Die Könige zogen weiter.

        Sie folgten einem goldenen Stern,

        Der leuchtete lieblich und heiter.

         

         Der Stern blieb stehn über Josefs Haus,

        Da sind sie hineingegangen.

        Das Öchslein brüllte, das Kindlein schrie,

        Die Heil'gen Drei Könige sangen.

     

     

    Theodor Storm (1817 - 1888)

     Weihnachtslied

     Vom Himmel in die tiefsten Klüfte

    Ein milder Stern herniederlacht;

    Vom Tannenwalde steigen Düfte

    Und hauchen durch die Winterlüfte,

    Und kerzenhelle wird die Nacht.

     

    Mir ist das Herz so froh erschrocken,

    Das ist die liebe Weihnachtszeit!

    Ich höre fernher Kirchenglocken

    Mich lieblich heimatlich verlocken

    In märchenstille Herrlichkeit.

     

    Ein frommer Zauber hält mich wieder,

    Anbetend, staunend muss ich stehn;

    Es sinkt auf meine Augenlider

    Ein goldner Kindertraum hernieder,

    Ich fühl's, ein Wunder ist geschehn.

        *

         Freund meiner Tochter

  wartet schon zu lange aufs Christkind und      will die Sache nun selbst in die Hand nehmen.

 

 

      Johannes Trojan (1837 – 1915)

      Was soll ich meiner Tante schenken?

       

      Ich sitze da in tiefem Denken

      Und. sinne her und sinne hin —

      „Was soll ich meiner Tante schenken?"

      Das geht mir immer durch den Sinn.

       

      Was wünscht sie sich ? Wär' ihr am Ende

      Erwünscht ein grüner Papagei?

      Ein Makartbild als Zier der Wände?

      Ein Gummibaum? Ein Straussenei?

       

      Wär' ihr gedient mit einer Brille?

      Mit einem Kopf des wilden Schweins?

      Wünscht sie vielleicht sich in der Stille

      Ein Oxhoft alten Brannteweins ?

       

      Soll ich Rollschuhe für sie wählen —

      Sie liebt vielleicht den Skatingrink! —

      Wie? oder ist mehr zu empfehlen

      Was Plastisches, gemacht aus Zink?

       

      Würd' ein Aquarium ihr gefallen?

      Würd sie ein Deckelglas erfreun?

      Ach, unter diesen Dingen allen

      Scheint keins das richtge mir zu sein.

       

      Ich sitze da in tiefem Denken

      Und schaue sinnend in das Glas —

      Ei was! Ich will ihr gar nichts schenken!

      Vielleicht schenkt mir die Tante was.

       

            *

 

          Rainer Maria Rilke  (1875 - 1926)

          Advent

           Es treibt der Wind im Winterwalde

          die Flockenherde wie ein Hirt,

          und manche Tanne ahnt, wie balde

          sie fromm und lichterheilig wird,

          und lauscht hinaus. Den weißen Wegen

          streckt sie die Zweige hin - bereit,

          und wehrt dem Wind und wächst entgegen

          der einen Nacht der Herrlichkeit.

            

     

        Max Herrmann –Neiße (1886 – 1941)

        Weihnacht 1940

         

        Seltsame Weihnacht neunzehnhundertvierzig

        in diesem London, dunkel und bedroht,

        noch scheint sie friedlich, und kein Feind verirrt sich

        zu unserm Haus mit seiner Ladung Tod.

        Wir wollen uns das alte Fest erzwingen,

         der Baum erglänzt, wie einst zuhaus, geschmückt,

        wir möchten, wenn wir uns Geschenke bringen,

        vergessen, was uns ängstet und bedrückt.

        Im Rundfunk hören wir die fernen Glocken,

        noch einmal essen wir und trinken gut

        und lassen uns in einen Leichtsinn locken.

        Der Henkersmahlzeit grimmer Übermut

        gespenstert um den Tisch; ich spür es schwelen:

        Den Mord, der eine Pause sich erlaubt;

        das rührende Sekundenglück der Seelen,

        die sich verschweigen, was die Ruhe raubt,

        das Scheinbild eines Friedens, diese Fratze,

        die etwas Fürchterlicheres verhüllt,

        bis plötzlich ausgeruht die Tigerkatze

        uns wieder anspringt und im Blutrausch brüllt.

        Noch starren ringsum die zerstörten Stätten,

        steht da und dort auch ein verschontes Haus,

        als ob die Frevler aufgespart es hätten

        für einen letzten, teuflisch großen Graus,

        zur Orgie der endgültigen Vernichtung,

        wenn der Verhaßte ruchlos Rache nimmt.

        Weihnachten: neunzehnhundertvierzig: Dichtung,

        die seltsam künstlich zwischen Schlachten glimmt.

         

                                   *

                                                       (aus: M. H.-N., Letzte Gedichte, 1941)

 

 

          Johann Spratte © (1901 – 1991)

          Dezember

           

          De Kräggen strieket  (= Kraien – Krähen)

          üöwer de Wintersaut,

          et früs, un achtern Holde,

          doa is de Himmel raut.

           

          In Büske und Hiegen    (= Hecken)

          süselt de Wiend noa sacht;

          Niewel stig in de Wiske,

          dat gif ne kaule Nacht. 

 

          Johann Spratte © (1901 – 1991)

          Wiehnachten

           

          Nu is de siälge Wiehnachtstiet,

          un Bethlehem is gar nich sau wiet:

          Glieks achtern Holt in de Schüern

          met de aulen Backsteenmüern

          wuohnt Maria un Josef, de Asylanten,

          de hät wiet un siet keine Vöwandten,

          häwwet Hus un Heimat völuorn,

          un in de Nacht is dat Kindken gebuorn.

           

          Kuomt an, wie maket us up’n Pad

          met Wurst un Speck un süs noa wat,

          un lot us dat Kindken doa in de Krippen

          sachte weeigen un wippen.

           

 

     aus:

     Johann Spratte, Das alte Bild. Gedichte in Platt, Verlag Lechte Emsdetten. 1988, S. 38 f

         Herrn Wido Spratte herzlichen Dank für die Abdruckerlaubnis, Februar 2011

 

 

            Eva Zeller © (* 1923)

            Stern über Bethlehem

             

            Müßte ich mir nicht

            beim Anblick des

            verheißungsvollen Sterns

            die Augen reiben

             

            überwältigt wie der

            Weltraumfahrer der

            schwerelos um unsre

            Erde kreist und drei-

             

            unddreißig Mal am Tag

            die Sonne aufgehn sieht

            das werte Licht

            ein neuen Schein

       

               *

      aus: Eva Zeller, Was mich betrifft. Gedichte und Balladen. Literarische Broschur Bd. 18

      Verlag Sankt Michaelsbund. München 2011, S. 88

 

            (Kigo)

            Blau aus dem Himmel

            Schneefall um Schneefall herab

            Schmuck auf den Häusern.

             

       

          Erich Adler ©

          Kurrende

           

          Die Schuhe der Fremden beim Öffnen der Tür

          die hellen Stimmen

          lassen seinen Engel herab

          steigen

          doch

          wo soll Gott ankommen wo

          hat er Raum

          dir

          dunkel

          zu leuchten als fremdes

          Geheimnis.

 

 

       Erich Adler ©

      Maria

       

      Nun endlich war Raum für seine Geburt

      ein Ochse ein Esel mit ihrem Hauch

      der Josef gebückt

      in dieser Nacht neben mir

      jetzt Hirten vom Feld mit blökenden Schafen

      in der Stille des

      Wunders

      und Licht in der Welt

      durch den Stern überm Stall

      auf drei Fremde

      im Glanz – so

      kniend

      beschenken

      mein Kind.

       *

 

 

        Max Herrmann- Neiße (1886 – 1941)

        Fragen zum Jahresbeginn

         

        Kommt nun der Tod? Erblüht ein neues Leben?

        Führt es ans Ende oder zum Beginn?

        Wird noch einmal dem Lauf der Welt gegeben

        nach soviel Wahn ein morgenheller Sinn?

        Ist mir gestattet alles zu behalten,

        darin ich heimisch aufgehoben war?

        Kann aus dem Chaos maßvoll sich gestalten

        gerechte Satzung mild und sonnenklar?

        Wie soll das Weltbild sich zum Guten wenden,

        wenn meinem eignen Wesen nicht gelingt

        in Reife sich und Ruhe zu vollenden

        das Alter sich um seine Würde bringt?

        Ob ich trotzdem noch einmal gutzumachen,

        bescheiden andern wohlzutun vermag?

        Darf ich nach langer Nacht erlöst erwachen

        in einen unbedrohten Friedens-Tag,

        den ersten künftig schreckensloser Zeiten,

        auf daß die Menschheit wieder menschlich lebt,

        sich gegenseitig Freude zu bereiten,

        der Segen ist, nach dem die Seele strebt?

        Umgibt mich wieder die vertraute Stille,

        in die mein Dichter-Dasein doch gehört,

        wo kein unbändig machtbesessner Wille

        die Eintracht der Geschöpfe feindlich stört?

        Kann uns die Erde wieder schön erscheinen,

        weil sich das Göttliche ihr nicht entzieht,

        der Fromme wieder Freudentränen weinen,

        wenn er es jungfräulich rings blühen sieht

        das neue, gutgeglückte, sichre Leben,

        das wieder Hoffnung hat und einen Sinn?

        Was will das launische Geschick uns geben:

        kommt nun das Ende oder ein Beginn?

         

 

                                       Noch keine Copy-Geschenke für:

    Augustin Wibbelt (1862 – 1947)  An de Krippe  (Du leiwe Kind, ick lot nich lok,)

     

    Johannes R. Becher (1891 - 1958)  Weihnacht (Es blüht der Winter im Geäst)

     

    Bertolt Brecht (1898 -1956) Die gute Nacht

                          (Der Tag, vor dem der große Christ/ zur Welt geboren worden ist)

     

    Peter Huchel (1903 - 1981)  Die Hirtenstrophe  (Wir gingen nachts gen Bethlehem)

     

    Heinz Erhardt (1909 - 1979) Ein Weihnachtslied (Es ist Weihnachten geworden)

                                                Weihnachten 1944  Als ich keinen Urlaub bekam

                       (Wenn es in der Welt dezembert/ und der Mond wie ein Kamembert)

     

    Erich Fried  (1921 - 1988 )  (Eine Streu von Stroh/ Eine Wiege von Wind)

     

    Eva Zeller (* 1923)  Krippenspiel – Welttheater (Und Lukas tritt/ ins Rampenlicht)

                                       O happy day (In diesem Jahr)

             Die Weihnachtsgeschichte buchstabieren

                                     (Eine Geburt/ der allerfrag-/würdigsten Art)

        

 

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