“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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                                            Motivkreis Wein

       

          Johann Wilhelm Ludwig Gleim  (1719 – 1803)

          Trinklied

          Seht den jungen Bacchus an!

          Seht doch, wie er trinken kann!

          Seht, die Augen, die Gebärden

          Sollen unsre Muster werden,

          Wenn die Gläser, voll von Wein,

          Aug und Herz und Geist erfreun.

           

          Treue Brüder, laßt euch raten!

          Tut doch, was die Alten taten,

          Gebt Verdiensten ihren Lohn,

          Krönet diesen Bacchussohn,

          Daß die Tugend auf der Erde,

          Lieblich und erkennet werde!

           

          Den die Weisheit sichtbar schmückt,

          Der sich doch zum Bacchus schic

          Den man sieht sein Amt verwalte

          Und des Abends Picknick halten,

          Der noch nie bestrafet ist,

          Weil man ihn dabei vermißt;

           

          Der noch keinen Trunk vermiede

          Der sich selbst dazu beschieden,

          Den kein voller Römer schreckt,

          Dem der Wein am besten schmec

          Der verdient zum rechten Lohne

          Von den Brüdern eine Krone.

           

          Brüder, seht den Bruder an,

          Wie der Bruder trinken kann!

          Unter allen Bacchussöhnen

          uß man ihn zum König krönen;

          Brüder, ja, er muß es sein:

          Seht, er schenkt schon wieder ein.

           

                             *

          Johann Wilhelm Ludwig  Gleim  (1719 – 1803)

          Bacchus und Cythere

          Soll ich trinken oder küssen ?

          Hier winkt Bacchus, dort Cythere.

          Beide winken, beide lächeln,

          Bacchus mit gesetzten Mienen

          Und Cythere mit verliebten.

          Bacchus zeigt mir seine Reben;

          Seht, sie sinken, schwer von Trauben!

          Aber seht nur, dort im Schatten,

          Dort im Schatten, unter Reben,

          Liegt ein Mädchen lang gestrecket!

          Seht, es schläft, es lächelt schlafend,

          Und es lächelte Cythere

          Nicht so reizend, als sie winkte.

          O wie süß mag es nicht schlummern!

          O wie reizend liegt das Mädchen!

          Um den weißen regen Busen

          Hangen schwarze reife Trauben,

          Und es glänzen um den Locken,

          Um den rabenschwarzen Locken,

          Goldne Blumen in den Schatten.

          Weingott, winke nur nicht länger;

          Denn ich muss erst, bei dem Made

          Unter deinen Trauben schlummern.

                *

 

    Johann Nicolaus Götz (1721 – 1781)

    Auf den Burgunderwein

     

         Der war gewiss ein frommer Mann,

         Den Jupiter so liebgewann,

    Dass er ihm diesen Weinstock schenkte,

    Ihn selbst in seinen Garten senkte

    Und voll so schöner Trauben hängte.

     

         Der Luna Horn muss ihn betaut,

         Apollo huldreich angeschaut,

    Vertumnus' Spate selbst umgraben,                                 (Vertumnus: röm. Herbstgott)

    Und für den Staren und den Raben  (für: vor)

    Der Speer Priaps beschützet haben.                         (Priapus, Hüter der Gärten und Weinberge,verjagt  die Vögel)                                                                

                                                                                          

         Das war gewiss Dianens Hand,

         Die mit dem Ulmbaum ihn verband

    Und ihren Segen auf ihn legte,

    Weil er sie zu verbergen pflegte,

    Wenn sie den schönen Jüngling hegte.                           (= Endymion)

 

        Eh Peleus 1 in der ersten Nacht 

        Der Braut den Gürtel losgemacht,

    So fehlte bei dem hohen Feste

    Zu der Bewirtung seiner Gäste

    Der süße Nektartrank, das Beste.

     

         Da sagte Zeus zur Götterschar:

         Wir trinken Nektar Jahr für Jahr,

    Seitdem wir in den Wolken leben:

    Doch heute sollen irdsche Reben

    Unsterblichen ein Labsal geben.

     

         Er schüttelt sein allmächtig Haupt.

         Gleich steigt der edle Stock, belaubt,

    Mit schlanken Armen in die Lüfte,

    Verbreitet holde Frucht und Düfte,

    Dass er den Ruhm des Meisters stifte.

 

 

         Gehabt euch wohl, schrie Cypria,    (Beiname der Venus)

         Du Nektar, du Ambrosia;

    Euch so vermissen, ist gewonnen.

    Es lebe Zeus, der nach der Sonnen

    Kein wunderschöner Werk begonnen.

     

         Sie streckt die Finger lüstern hin,

         Ein Rebenkind zu sich zu ziehn,

    Und ritzt den Lilienarm im Klauben.

    Seit diesem purpern sich die Trauben

    Als wie der helle Hals der Tauben.

 

      1  (Thetis, eine Tochter des Nereus, wurde mit Peleus vermählt; die Götter hatten die Heirat arrangiert

      und waren beim Gastmahl eingeladen.)

      

 

            Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)

            In Jena weiß man viele Sachen,

            nur nicht aus Essig Wein zu machen.

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          Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832)

           IM HERBST 1775

          (späterer Titel 1789 Schriften:  Herbstgefühl)

           

          Fetter grüne, du Laub,

          Das Rebengeländer,

          Hier mein Fenster herauf.

          Gedrängter quillet,

          Zwillingsbeeren, und reifet

          Schneller und glänzend voller.

          Euch brütet der Mutter Sonne

          Scheideblick, euch umsäuselt

          Des holden Himmels

          Fruchtende Fülle.

          Euch kühlet des Monds

          Freundlicher Zauberhauch,

          Und euch betauen, ach,

          Aus diesen Augen

          Der ewig belebenden Liebe

          Voll schwellende Tränen.

           

                      *

               

            Hölderlin (1770 – 1843)

            Wenn nämlich der Rebe Saft...

             

            Wenn nämlich der Rebe Saft,

            Das milde Gewächs, suchet Schatten

            Und die Traube wachset unter dem kühlen

            Gewölbe der Blätter,

            Den Männern eine Stärke,

            Wohl aber duftend den Jungfraun,

            Und Bienen,

            Wenn sie, vom Wohlgeruche

            Des Frühlings trunken, der Geist

            Der Sonne rühret, irren ihr nach

            Die Getriebenen, wenn aber

            Ein Strahl brennt, kehren sie

            Mit Gesumm, vielahnend

              darob

              die Eiche rauschet, 

                                                              aus: Hymnische Entwürfe)

                        *

    Justinus Kerner  (1786 – 1862)

    Wein

    Tränen weint die arme Rebe,

    und der Lenz brach doch heran.

    Arme, hat der schlimme Winter,

    dir ein Leid wohl angetan?

     

    Nicht vor Schmerzen, spricht die Rebe,

    wein ich, nein, vor Lust bewegt,

    weil ich fühle, wie die Blüte

    sich in meinem Innern regt.

     

    Tränen weinet eine Mutter,

    die auch Wonnetränen sind,

    die zum ersten Male fühlet

    in sich ihrer Liebe Kind.

     

                   *

     
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            Justinus Kerner  (1786 – 1862)

            Wanderlied  

            Wohlauf noch getrunken!

            Den funkelnden Wein!

            Ade nun ihr Lieben!

            Geschieden muss sein.

            Ade nun, ihr Berge,

            Du väterlich Haus!

            Es treibt in die Ferne

            mich mächtig hinaus.

             

            Die Sonne, sie bleibet

            Am Himmel nicht stehn,

            es treibt sie, durch Länder

            und Meere zu geh.

            Die Woge nicht haftet

            Am einsamen Strand,

            die Stürme, sie brausen

            mit Macht durch das Land.

             

             Mit eilenden Wolken

            Der Vogel dort zieht,

            und singt in der Ferne

            ein heimatlich Lied.

            So teeibt es den Burschen

            Durch Wälder und Feld,

            zu gleichen der Mutter,

            der wandernden Welt.

             

            Da grüßen ihn Vögel,

            bekannt üerm Meer,

            sie flogen von Fluren

            der Heimat hierher;

            da duften die Blumen

            vertraulich um ihn,

            sie trieben vom Lande

            die Lüfte dahin.

             

            Die Vögel, die kennen

            sein väterlich Haus;

            die Blumen einst pflanzt’ ewr

            der Liebe zum Strauß;

            und Liebe, die folgt ihm,

            sie geht ihm zur Hand:

            so wird ihm zur Heimat

            das ferneste Land.

                     *

          Theodor Körner (1791 – 1813)

          Trinklied

          Kommt, Brüder, trinket froh mit mir!

          Seht, wie die Becher schäumen!

          Bei vollen Gläsern wollen wir

          Ein Stündchen schön verträumen.

          Das Auge flammt, die Wange glüht,

          In kühnen Tönen rauscht das Lied;

          Schon wirkt der Götterwein,

            Schenkt sein!

           

          Doch was auch tief im Herzen wacht,

          Das will ich jetzt begrüßen.

          Dem Liebchen sei dies Glas gebracht,

          Der Einzigen, der Süßen!

          Das höchste Glück für Menschenbrust,

          Das ist der Liebe Götterlust;

          Sie trägt euch himmelan.

            Stoßt an!

           

          Ein Herz, im Kampf und Streit bewährt

          Bei strengem Schicksalswalten,

          Ein freies Herz ist Goldes wert,

          Das müsst ihr fest erhalten.

          Vergänglich ist des Lebens Glück.

          Drum pflückt in jedem Augenblick

          Euch einen Strauß!

            Trinkt aus!

           

          Jetzt sind die Gläser alle leer;

          Füllt sie noch einmal wieder!

          Es wogt im Herzen hoch und her;

          Ja, wir sind alle Brüder,

          Von einer Flamme angefacht!

          Dem deutschen Volke sei’s gebracht,

          Auf dass es glücklich sei

            Und frei!

                          *

           

        Heinrich Heine ( 1797 – 1856)

        Die Flaschen sind leer, das Frühstück war gut,

        Die Dämchen sind rosig erhitzet.

        Sie lüften das Mieder mit Übermut,

        Ich glaube, sie sind bespitzet.

         

        Die Schulter, wie weiß, die Brüstchen wie nett!

        Mein Herz erbebet vor Schrecken.

        Nun werfen sie lachend sich aufs Bett

        Und hüllen sich ein mit den Decken.

         

        Sie ziehen nun gar die Gardinen vor,

        Und schnarchen am End’ um die Wette.

        Da steh’ ich im Zimmer, ein einsamer Tor,

        betrachte verlegen das Bette.

                             *

         

          Johannes Trojan (1837 – 1915)

          Der böse Wein

           

          Das ist der Trank, gemacht aus Beeren,

          Die sonst wir als Compot verzehren,

          Der Busch-, der Strauch-, der Blaubeer-Wein,

          Bei dem muss man nach Hilfe schrein.

          Das ist der Wein von der Sierra,

          Die hoch sich hinzieht an der Werra,

          Wenn er nicht wuchs auf dem Plateau

          Der Uckermark, frei, frisch und froh.

          Das ist der Wein im Höllenrachen

          Gekeltert aus der Milch von Drachen,

          Mit Zusatz von Petroleum –

          Das ist der Wein, der um und um

          Den Magen stülpt mit ungeheuren

          Und niemals sonst erhörten Säuren.

           

                                *

            Johannes Trojan (1837 – 1915)

            Der unzufriedene Zecher

             

            Der Kutscher ist so sauer,

            Mir gar nit mehr gefällt;

            Der Bessre auf die Dauer

            Geht mir zu stark ins Geld.

            Zu theuer ist der Wein,

            Die Schoppen sind zu klein!

            Ganz anders muss es werden,

            Soll Deutschland einig sein.

             

            Es häufen sich Beschwerden,

            Dass schlecht wird das Getränk.

            Was soll daraus noch werden?

            Mir graut, wenn ichs bedenk.

            Wie soll die Freiheit blühn,

            Macht uns der Wein nicht kühn?

            Ich habs dem deutschen Kanzler

            Geschrieben nach Varzin.

             

            Reichstag und Landtag tagen

            Doch sicherlich genug;

            Sie scheinen nicht zu fragen

            Nach dem, was recht und klug.

            Sonst war' ihr Erstes das,

            Zu sorgen für das Nass:

            Dass billger werd' und besser

            Der Wein in Fass und Glas.

             

            Ich hab im Weltgetümmel

            Verfehlet den Beruf,

            Dieweil dass mich der Himmel

            Zum Millionär erschuf.

            Den Durst hab ich dazu,

            Dass ich viel Geld verthu;

            Das Geld nur fehlt mir leider,

            Dass lägst mir keine Ruh!

             

            Auch macht mir Kummer Eines

            Und ist nicht wohlgethan:

            Die werth sind besten Weines,

            Dass die den Wein nicht han.

            Es wächst manch guter Wein

            Am Rhein und auch am Main:

            Den trinken schlechte Leute,

            Das macht mir grosso Pein.

             

            Wohl einen Börsenfürsten

            Möcht ich zum Freunde han;

            Bei meinen starken Dürsten,

            Wie wär mir wohlgethan'.

            Dess freute sich mein Blut,

            Das gäb mir frischen Muth:

            Mit dem wollt' ich verschlemmen

            Sein Hab und all sein Gut.

             

            Das gäb' ein scharfes Zechen

            Im Wirthshaus frank und frei;

            Das gäb' ein hitzig Stechen

            In trunkhaftem Turnei.

            Verzehrt würd Stück vor Stück,

            Was ihm bescheert sein Glück;

            Nur ein Lokomotive

            Behielten wir zurück.

             

            Drauf schwängen mein Geselle

            und ich uns keck empor

            und führen drauf zur Hölle

            Grad mitten durch das Thor.

            Das gäb 'neu tüchtgen Stoß,

            Der Jubel wäre groß.

            Hurrah, ihr schwarzen Schufte,

            Jetzt gehts hier unten los!

 

 

          Rudolf Baumbach (1840 – 1905)

          Lacrimae Christi

          Es war in alten Zeiten

          ein schwäbischer Fiedelmann,

          der kräftig strich die Saiten

          und lustige Mären spann.

           

          Mit Friederich dem Andern

          ins Welschland zog er ein,

          und kostete im Wandern

          von einem jeden Wein.

           

          Und als auf seinem Zuge

          er nach Neapel kam,

          quoll ihm aus irdnem Kruge

          ein Tropfen wundersam.

           

          Er trank mit durst'gem Munde

          und rief den Wirt herbei:

          «Viellieber, gebt mir Kunde,

          was für ein Wein das sei.

           

          Er rinnt mir altem Knaben

          wie Feuer durchs Gebein;

          von allen Gottesgaben

          muss das die beste sein.»

           

          Der dicke Kellermeister

          gab ihm die Auskunft gern:

          «Lacrimae Christi heißt er,

          denn Tränen sind's des Herrn.»

           

          Da überkam ein Trauern

          den fremden Fiedelmann;

          er dachte an den Sauern,

          der in der Heimat rann.

           

          Und betend sank er nieder,

          den Blick emporgewandt:

          „Herr, weinst du einmal wieder,

          so wein im Schwabenland!“

                      *

       

      Friedrich Nietzsche (1844 – 1900)

      An Hafis

      Trinkspruch: Frage eines Wassertrinkers

       

      Die Schenke, die du dir gebaut,

          ist größer als jedes Haus,

      die Tränke, die du drin gebraut,

          die trinkt die Welt nicht aus.

      Der Vogel, der einst Phönix war,

          der wohnt bei dir zu Gast,

      die Maus, die einen Berg gebar,

          die — bist du selber fast!

       

      Bist alles und keins, bist Schenke und Wein,

          bist Phönix, Berg und Maus,

      fällst ewiglich in dich hinein,

          fliegst ewig aus dir hinaus—

      bist aller Höhen Versunkenheit,

          bist aller Tiefen Schein,

      bist aller Trunknen Trunkenheit

      — wozu, wozu dir — Wein ?

            *

           

            Detlev von Liliencron (1844 – 1909)

            Im Biwack

            Das Feuer knistert und die Becher klirren,

            Dass in die Arme sank der Nacht die Welt;

            Gedanken, ohne Steg und Steuer, irren,

            Bis in die Palmenbucht der Anker fällt.

            Manch Wort und Witz, die hin und gegen schwirren,

            Verweht der Wind, begräbt das stille Feld.

            Ein letzter Trunk, und schon in Traumeswirren

            Tönt mir ein ferner Postenruf ins Zelt.

                                 *

 

 

        Baudelaire (1821 – 1867) – Umdichtungen  Stefan George (1868 – 1933)

        aus dem Zyklus: Die Blumen des Bösen (1918)

         

        CXXVIII

        DIE SEELE DES WEINES

        Des weines geist begann im fass zu singen:

        Mensch  teurer Ausgestossener  dir soll

        Durch meinen engen kerker durch erklingen

        Ein lied von licht und bruderliebe voll.

         

        Ich weiss: am sengendheissen bergeshange

        Bei schweiss und mühe nur gedeih ich recht

        Da meine seele ich nur so empfange

        Doch bin ich niemals undankbar und schlecht.

         

        Und dies bereitet mir die grösste labe

        Wenn eines arbeit-matten mund mich hält

        Sein heisser schlund wird mir zum süssen grabe

        Das mehr als kalte keller mir gefällt.

         

        Du hörst den sonntagsang aus frohem schwärme?

        Nun kehrt die hoffnung prickelnd in mich ein:

        Du stülpst die ärmel  stützest beide arme

        Du wirst mich preisen und zufrieden sein.

         

        Ich mache deines weibes augen heiter

        Und deinem sohne leih ich frische kraft

        ich bin für diesen zarten lebensstreiter

        Das öl das fechtern die gewandtheit schafft.

         

        Und du erhältst von diesem pflanzenseime

        Das Gott  der ewige sämann  niedergiesst

        Damit in deiner brust die dichtung keime

        Die wie ein seltner baum zum himmel spriesst.

         

                          *

        CXXIX

        DER WEIN DER BETTLER

         Oft kommt bei einer laterne rotem glanze

        Beim rasseln des glases  der flamme zuckendem tanze

        In alter vorstadt irrgängen dumpf und feucht

        Darin in stürmischer gährung die menschheit keucht:

         

        Ein bettler des weges der mit dem kopfe schüttelt

        Der wie ein dichter an mauern rennt und rüttelt

        Er nimmt auf die spähenden Wächter keine acht

        Ergiesst sein herz in eingebildeter macht 

         

        Erhabne gesetze gebend und eide schwörend

        Die bösen vernichtend die schuldlosen opfer erhörend

        Der himmel ist über ihm wie ein throndach geschmückt

        Er ist von dem glanz seiner eigenen würden entzückt —

         

        Ja diese leute von häuslichen sorgen gepeinigt

        Vom alter gemartert und von der arbeit gesteinigt 

        Entkräftet  unter dem haufen von trümmern geneigt

        Ein wüstes gewühl das der riesigen Stadt entsteigt:

         

        Sie kehren mit ihren gefährten in kriegen gemagert

        Zurück und ein fassgeruch über den ziehenden lagert

        Wie fetzen von alten fahnen hängt ihr bart -

        Die banner die blumengeschmückten bogen der fahrt

         

        Erheben sich vor ihnen in festlichem jubel

        Sie bringen in glänzendem und betäubendem trubel

        Von sonne von waffen von pauken und stimmengebraus

        Dem liebetrunkenen volke die ehre nach haus . .

         

        So rollt durch die völker  die schwelger in heitren genüssen

        Der wein sein gold dahin in blendenden flüssen.

        Er singt in der kehle des menschen was er schon vollbracht

        Und mit seinen gaben erwirbt er sich fürstliche macht -

         

        Den gleichmut zu wiegen und zu verscheuchen den kummer

        Erfand der Herr von reue erfasst den sichlummer

        Für all die verwünschten die nah an den gräbern sind -

        Der mensch fand den wein  der sonne geheiligtes kind.

             

         

        CXXXI

        DER WEIN DES EINSAMEN

        Der sonderbare blick der leichten frauen

        Der auf uns gleitet wie das weisse licht

        Des mondes auf bewegter wasserschicht

        Will er im bade seine schönheit schauen

         

        Der lezte thaler an dem spielertisch

        Ein frecher kuss der hageren Adeline

        Erschlaffenden gesang der violine

        Der wie der menschheit fernes qualgezisch -

         

        Mehr als dies alles schätz ich  tiefe flasche

        Den starken balsam den ich aus dir nasche

        Und der des frommen dichters müdheit bannt.

         

        Du giebst ihm hoffnung liebe jugendkraft

        Und stolz  dies erbteil aller bettlerschaft

        Der uns zu beiden macht und gottverwandt

         

         

        CXXXII

        DER WEIN DER LIEBENDEN

        Prächtig ist heute die weite

        Stränge und sporen beiseite

        Reiten wir auf dem wein

        In den feeenhimmel hinein!

         

        Engel für ewige dauer

        Leidend im fieberschauer

        Durch des morgens blauen kristall

        Fort in das leuchtende all!

         

        Wir lehnen uns weich auf den flügel

        Des windes der eilt ohne zügel.

        Beide voll gleicher lust

         

        Lass schwester uns brust an brust

        Fliehn ohne rast und stand

        In meiner träume land!

                           *

 

             

                    Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929)

            Die Beiden (1896)

             

            Sie trug den Becher in der Hand

            -Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand-,

            So leicht und sicher war ihr Gang,

            Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

             

            So leicht und fest war seine Hand:

            Er ritt auf einem jungen Pferde,

            Und mit nachlässiger Gebärde

            Erzwang er, dass es zitternd stand.

             

            Jedoch, wenn er aus ihrer Hand

            Den leichten Becher nehmen sollte,

            So war es beiden allzu schwer:

            Denn beide bebten sie so sehr,

            Dass keine Hand die andre fand

            Und dunkler Wein am Boden rollte.

                    *

 

          Oskar Loerke (1884 – 1941)

          Der Wein der Nacht

           

          Die fallbe Stadt genießt des Nachtweins Letzte.

          Es fliegt Getürm wie Vogelschlaf so leicht,

          Haus weht zu Hause, säumt den Saum der Plätze:

          Nachtfaltersegel, die ihr Ziel erreicht.

           

          Daß Glocke, Huf und Rad wie Regen klingen,

          Tupft sie ein Baum lind auf, ein grüner Schwamm.

          Der Markt mit seinen lauten Silberlingen

          Verrauscht schon über meiner Bank am Stamm.

           

          Doch ich bin Trinker und bin Trunk der Trauer,

          Die alle Namen spricht! – Wie wohnt die Zeit

          So sicher in viel Namen ohne Dauer,

          Als wären Berge für die Ewigkeit!

           

          Wie jäh sich warme Tiere scharren, trunken

          Von Schicksals Ungeduld, zur Todesfahrt,

          Entwirbeln meine Leben zu den Sternenfunken

          Und welken schon, bei ihnen aufgebahrt.

           

          Noch nährt der Wein der Nacht das Weltgeleuchte,

          Bestrahlt mich dort mit Geist und Rausch der Wein.

          Dann sickert in die Häuser seine Feuchte,

          Dann schleicht die Trauer über trockne Schwellen ein.

 

                                                                                                  (aus: Oskar Loerke, Die heimliche Stadt, 1921)

 

        Georg Trakl (1887 – 1914)

        Ballade

        Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,

        Eine bleiche Magd da vor ihm stand.

        Laut sang, o sang das Meer.

         

        Sie hielt einen Becher in der Hand,  '

        Der schimmerte bis auf zum Rand,

        Wie Blut so rot und schwer.

         

        Kein Wort ward gesprochen - die Sonne sch-w

        Da nahm der Narre aus ihrer Hand

        Den Becher und trank ihn leer.

         

        Da löschte sein Licht in ihrer Hand,

        Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand -

        Laut sang, o sang das Meer.

                     *

         

        Georg Trakl (1887 – 1914)

        Abend in Lans

           2. Fassung

        Wanderschaft durch dämmernden Sommer

        An Bündeln vergilbten Korns vorbei. Unter getünchten Bogen,

        Wo die Schwalbe aus und ein flog, tranken wir feurigen Wein.

         

        Schön: o Schwermut und purpurnes Lachen.

        Abend und die dunklen Düfte des Grüns

        Kühlen mit Schauern die glühende Stirne uns.

         

        Silberne Wasser rinnen über die Stufen des Walds,

        Die Nacht und sprachlos ein vergessenes Leben.

        Freund; die belaubten Stege ins Dorf.

                                      (1913)

 

                    Ob nüchtern, ob trunken -  kein Copyright:

 

    Hermann Hesse (1877 – 1962)

    Falter im Wein

    (In meinen Becher mit Wein ist ein Falter geflogen)

     

    Paul Celan (1920 – 1970)

    Bei Wein und Verlorenheit, bei/  beider Neige  ( 1959)

     

    Franz Josef Degenhardt (1931 - 2011)

    Ich möchte Weintrinker sein/ mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen

     

    Robert Gernhardt (1937 – 2006)

    Wein und Zeit (Warm preist ihr mir den alten Wein)

      

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