“... Lesen schadet den Augen! ”

                       

                                     Romanische Gedichtformen

                 Rondel -  Rondeau -  - Triolett

       

      Johann Nicolaus Götz (1721 – 1781)

      Erstes Rondeau

      nach einem französischen Dichter aus dem 14. Jahrhundert

       

      Des schönen Frühlings Hoffurier

      Bereitet wieder das Quartier

      Und spreitet ĂĽber unser Gosen

      Tapeten von beliebter Zier,

      Durchstickt mit Veilchen und mit Rosen.

      Des schönen Frühlings Hoffurier

      Bereitet wieder das Quartier.

           Cupido lag als wie erstarrt

      Im Schnee des Februar verscharrt;

      Itzt tanzt er unter Aprikosen,

      Und alles ist in ihn vernarrt.

      Ein jedes Herz, ihm liebzukosen,

      Ruft: Rauher Winter, fleuch von hier;

      Des schönen Frühlings Hoffurier

      Bereitet wieder das Quartier.

       

          *

      Zweites Rondeau

       

      Den Rock von Regen, Wind und Schnee

      Hat nun die Jahrszeit ausgezogen.

      Ihr ist ein schönerer von Klee

      Und Sonnenstrahlen angeflogen.

      Myrtill singt mit der Galathee:

      Den Rock von Regen, Wind und Schnee

      Hat nun die Jahrszeit ausgezogen.

           Das junge Tal, die lichte Höh

      Stehn glänzender als Regenbogen.

      Demanten trägt auch selbst der Schlee;

      Es funkeln alle Wasserwogen

      In prächtig-silberner Livree.

      Den Rock von Regen, Wind und Schnee

      Hat nun die Jahrszeit ausgezogen.

       

                                 *

       

      Hans Assmann von Abschatz  (1646 – 1699)

      Ich leb ohne Ruh im Hertzen /

      Von der Zeit /

      Da zwei schöner Augen Kertzen

      Mich versezt in Traurigkeit /

      Von der Zeit

      Leb ich stets in Schmertzen /

      FĂĽhle keine Ruh im Herzen.

      Keine Lust war mir zu nĂĽtze

      Von der Zeit

      Leb ich stets in Schmertzen /

      FĂĽhle keine Ruh im Hertzen.

       

                         *

      Rondel - später: Rondeau (frz. rond; lat. rotundus= rund):

    zu einem Rundtanz gesungene Liedform; durch Verswiederholung hervorgerufene      Kreisbewegung; oft ein Dreizehn- oder Vierzehnzeiler  - hier bei Trakl stark reduziert.    Merkmal ist auch die Beschränkung auf zwei Reime und als „Ideal“ die (variierte)       Wiederholung der Anfangszeilen in der Mitte und am Schluss.

 

 

          Oskar Loerke (1884 – 1941)

          Rondell von der Posaune

           

          Die Posaune Ăśkriki

          Spielt der Rotbart im Federvieh.

          Mit dem Rufe Ăśkriki

          Wird die Welt erst die und die.

           

          Kriecht die Sonne Gott ums Knie,

          Mondhorn spricht zu Mondhorn; Flieh.

          Denn posaunend Ăśkriki

          Wird die Welt erst die und die.

           

          Wird der Traum Mythologie,

          Das Geschehen spricht: Geschieh!

          Und die Last zum Schimmel: Zieh’,

          Und zur Last der Schimmel: Nie!

          Und die Welt ist die und die.

                         *

                   

        Oskar Loerke (1884 – 1941)

        Rondell vom Rondell

         

        Heupferde, Hummeln, Käfer, Grillen,

        Wir brechen guter Laune ein.

        Sieht man uns durch Vergrößerungsbrillen,

        So sind wir keineswegs zu klein.

         

        Wir werden, Hummeln, Käfer, Grillen,

        So groĂź wie wilde Eber sein,

        Gesalbten Auges die Schwänze drillen,

        Bengalischen Magens Rauchwerk spein.

         

        Doch hat man dazu keinen Willen,

        Man stecke rasch die Brille ein.

        Sonst könnt es durch die Brille sein,

        Man zög mit Haubitzen und Lanzenspillen

        Zum Dreißigjährigen Kriege auf Grillen.

 

                                                                               (aus: Pansmusik, 1916; darin: Ländliche Rondelle)

 

 

      Georg Trakl (1887 - 1914)

      Rondel

       

      Verflossen ist das Gold der Tage,

      Des Abends braun und blaue Farben:

      Des Hirten sanfte Flöten starben

      Des Abends braun und blaue Farben

      Verflossen ist das Gold der Tage.

       

                           * * *

                                                

              Triolett

       

      Detlev von Liliencron (1844 - 1909)

      Triolett

      Die Sterne funkeln kalt und kĂĽhl herab,

      Sie leuchten auf ein seliges Vergessen,

      Bis Tag und Tau die jungen Scheitel nässen.

      Die Sterne funkeln kalt und kĂĽhl herab

      Auf einen Kranz von Astern und Zypressen:

      Du Herzensmann, ich kann dich nicht vergessen:

      Die Sterne funkeln kalt und kĂĽhl herab.

                             *

       

            Lyrikschadchen ©

            Neujahr – Triolett

            Der erste Tag im neuen Jahr 

             kommt auf Raketen angeflogen 

            Auch großen Lärm wird man gewahr

            an diesem ersten Tag im Jahr  

            Gepaart mit WĂĽnschen, sonderbar 

            die Vorsätze zurechtgebogen  -  

             kommt erst der Tag ins neue Jahr 

            auf den Raketen angeflogen.

             

                                 *

               

    Triolett (lat. = trio = drei) – einstrophiges, oft achtzeiliges Gedicht, das seinen    Klangcharakter aus der Beschränkung auf lediglich zwei Reime und aus der Wiederkehr von      Versen bezieht. Der erste Vers taucht in dieser romanischen Gedichtform  wiederholt auf,       teils in der Mitte, teils (gemeinsam mit Vers 2) am Strophen-Ende.                                                   Im Unterschied  zum Rondeau kehrt in der Mitte nur der erste Vers wieder.

       

                                                                                                             

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