“... Lesen schadet den Augen! ”

         

      BĂ€nkellieder/ BĂ€nkelsongs und Moritaten

       

      bieten fĂŒr den Deutschunterricht der Mittelstufe (unterhaltsame) Möglichkeiten, die

      Balladenbehandlung der vorausgehenden Klassen 7- 8 um eine Variante des  ErzĂ€hlgedichts zu

      erweitern. (Es schadet nichts, wenn man etwas musikalisch ist und irgendwo noch Drehorgel -

      Hörmaterial zur Illustration der BÀnkeltexte heranschaffen kann.)

      Vorsingen - mit selbst produzierten  Anschauungstafeln   -   ist fĂŒr manchen SchĂŒler auch mal

       â€˜ne (spaßige) “Stimmbruch-Erfahrung” .(Auf dem Jahrmarkt wurde auch nicht Belcanto

      gesungen.) Mit einem Schuss schwarzen Humors gewĂŒrzt,  Bildtafeln hochhalten und von einem

      kleinen HolzbĂ€nkchen (sic!) aus GreuelmĂ€rchen, Familientragödien oder scheußlichen Schulalltag

      vortragen. Man muss gelegentlich etwas gegensteuern und aufpassen, dass hier die Thematik nicht

      ĂŒberzogen ausgestaltet wird. (Erfurt!) Aber fĂŒr Reflexion und Selbstkritik  ist Schule mit

      Ersthaftem und Trivialem auch ein passender Ort.  Zudem bietet sich der Stoff in der Kl. 9

      als Möglichkeit an, die SchĂŒler zu Textproduktionen zu ermuntern, z.B.:

         

        a) Umformung eines grimmigen Erwachsenen - MĂ€rchens wie  “Die RĂ€uberbraut” zur

           schaurig-schönen Moritat (s. Gruppenarbeit)

         

        b) Umformung einer Boulevardblatt-Seite zum BĂ€nkel (Hausaufgabe)

         

        c) Umformung eines BĂ€nkels in eine “Bildzeitungsbotschaft” (Klassenarbeit)

       

      Beispiel fĂŒr Aufgabe a) BĂ€nkelversion eines MĂ€rchens

      Erinnern Sie sich an diesen grausamen Text oder hatten Sie eine gereinigte Grimm-Ausgabe ?

       Nur zur Auffrischung Ihrer Kenntnisse zuerst das Original:

       

                   BrĂŒder Grimm, Kinder - und HausmĂ€rchen

                                 Bd I  (Ausgabe letzter Hand)

                                     Der RĂ€uberbrĂ€utigam

     

    Es war einmal ein MĂŒller, der hatte eine schöne Tochter und als sie herangewachsen war, so wĂŒnschte er,

    sie    wĂ€re versorgt und gut verheiratet, er dachte: »Kommt ein ordentlicher Freier und hĂ€lt um sie an,

    so will ich sie ihm geben. « Nicht lange, so kam ein Freier, der schien sehr reich zu sein, und da der MĂŒller

    nichts an ihm auszusetzen wusste, so versprich er ihm seine Tochter, Das MĂ€dchen aber hatte ihn nicht so

    recht lieb, wie eine Braut ihren BrÀutigam lieb haben soll, und hatte kein Vertrauen zu ihm. So oft sie ihn

    ansah oder an ihn dachte, fĂŒhlte sie ein Grauen in ihrem Herzen. Einmal sprach er zu ihr; »Du bist meine

     Braut und besuchst mich nicht einmal! Das MĂ€dchen antwortete: »Ich weiß nicht, wo Euer Haus ist. « Da

     sprach der BrĂ€utigam; »Mein Haus ist draußen im dunklen Wald. « Es suchte  Ausreden und meinte, es

     könnte den Weg dahin nicht finden. Der BrĂ€utigam sagte: »KĂŒnftigen Sonntag musst du hinaus zu mir

    kommen ich habe die GĂ€ste schon eingeladen, und damit du den Weg durch den Wald findest, so will ich dir

    Asche streuen. « Als der Sonntag kam und das MÀdchen sich auf den Weg machen sollte, ward ihm so angst,

    es wusste selbst nicht recht warum, und damit es den Weg bezeichnen könnte, steckte es sich beide

    Taschen voll Erbsen und Linsen. An dem Eingang des Waldes war Asche gestreut, der ging es nach, warf

    aber   bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde. Es ging fast den ganzen Tag, bis es

     mitten in den Wald kam, wo er am dunkelsten war; da stand ein einsames Haus, das gefiel ihm nicht, denn

     es    sah so finster und unheimlich aus. Es trat hinein, aber es war niemand darin und herrschte die grĂ¶ĂŸte

    Stille. Plötzlich rief eine Stimme:

      »Kehr um, kehr um, du junge Braut,

      Du bist in einem Mörderhaus! «

     

    Das MĂ€dchen blickte auf und sah, dass die Stimme von einem Vogel kam,  der da in einem Bauer an der

    Wand   hing. Nochmals rief er:

                »Kehr um, kehr um, du junge Braut,

                Du bist in einem Mörderhaus! «

           Da ging die schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere und ging durch das ganze Haus, aber es

    war alles leer und keine Menschenseele zu finden. Endlich kam sie auch in den Keller, da saß eine steinalte

    Frau, die wackelte mit dem Kopfe. »Könnt Ihr mir nicht sagen«, sprach das MĂ€dchen,  Â»ob mein BrĂ€utigam

    hier wohnt? « - »Ach, du armes Kind«, antwortete die Alte, »wo bist du hingeraten! Du bist in einer

    Mördergrube. Du meinst, du wÀrst eine Braut, die bald Hochzeit macht, aber du wirst die Hochzeit mit

    dem    Tode hatten. Siehst du, da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen mĂŒssen, wenn sie dich

    in ihrer Gewalt haben, so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit, kochen dich und essen dich, denn es sind

    Menschenfresser.  Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette, so bist du verloren. «  

    Darauf fĂŒhrte es die Alte hinter ein großes Fass, wo man es nicht sehen konnte. »Sei wie ein

    MĂ€uschen   still«, sagte sie, »rege dich nicht und bewege dich nicht, sonst ist's um dich geschehen. Nachts,

     wenn die RĂ€uber schlafen, wollen wir entfliehen, ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet. «

     Kaum    war dies geschehen, so kam die gottlose Rotte nach Haus. Sie brachten eine andere Jungfrau mit-

    geschleppt, waren trunken und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern. Sie gaben ihr Wein zu trinken,

    drei GlĂ€ser voll, ein Glas weißen, ein Glas roten und ein Glas gelben, davon zersprang ihr das Herz. Darauf

     rissen sie ihr die feinen Kleider ab, legten sie auf einen Tisch, zerhackten ihren schönen Leib in StĂŒcke

    und streuten Salz darĂŒber. Die arme Braut hinter dem Fas zitterte und bebte, denn sie sah wohl, was fĂŒr

    ein Schicksal ihr die RĂ€uber zugedacht hatten. Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der

    Gemordeten einen goldenen Ring, und als er sich nicht gleich abziehen ließ, so nahm er ein Beil und hackte

    den  Finger ab; aber der Finger sprang in die Höhe ĂŒber das Fass hinweg und fiel der Braut gerade in den

    Schoß. Der RĂ€uber nahm ein Licht und wollte ihn suchen, konnte ihn aber nicht finden. Da sprach  ein

    anderer:

                 »Hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht? «

     Aber die Alte rief:

                 »Kommt und esst und lass das Suchen bis morgen, der Finger lĂ€uft euch nicht fort. «

     Da sprachen die RĂ€uber: »Die Alte hat recht«, ließen vom Suchen ab setzten sich zum Essen, und die

    Alte tröpfelte ihnen einen Schlaftrunk in den Wein, dass sie sich bald in den Keller hinlegten, schliefen 

    und schnarchten. Als die Braut das hörte, kam sie hinter dem Fas hervor und musste ĂŒber die Schlafenden

    wegschreiten, die da reihenweise auf der Erde lagen, und hatte  große Angst, sie möchte einen aufwecken.

    Aber Gott half ihr, dass sie glĂŒcklich durchkam, die Alte stieg mit ihr hinauf, öffnete die TĂŒre, und sie

    eilten so schnell sie konnten aus der Mördergrube fort. Die gestreute Asche hatte der Wind weggeweht,

     aber die Erbsen und Linsen hauen gekeimt und waren aufgegangen und zeigten im Mondenschein den Weg.

    Sie gingen die ganze Nacht, bis sie morgens in der MĂŒhle ankamen. Da erzĂ€hlte das MĂ€dchen seinem Vater

    alles, wie es sich zugetragen hatte.

    Als der Tag kam, wo die Hochzeit sollte gehalten werden, erschien der BrĂ€utigam, der MĂŒller aber hatte

    alle seine Verwandten und Bekannten eingeladen. Wie sie bei Tische saßen, ward einem jeden aufgegeben,

    etwas zu erzĂ€hlen. Die Braut saß still und redete nichts. Da sprach der BrĂ€utigam zur Braut: »Nun, mein

    Herz. weißt du nichts? ErzĂ€hl uns auch etwas!« Sie am wertete: »So will ich einen Traum erzĂ€hlen. Ich  ging

    allein durch einen Wald und kam endlich zu einem Haus, da war keine Menschenseele darin aber an der

    Wand war ein Vogel in einem Bauer, der rief;

     Â»Kehr um, kehr um, du junge Braut, 

      Du bist in einem Mörderhaus!»

      Und rief es noch einmal. Mein Schatz, das trĂ€umte mir nur, Da ging ich durch alle Stuben, und alle waren

    leer, und es war so unheimlich darin und keine Menschenseele zu finden. Ich stieg endlich hinab in den

    Keller, da saß eine steinalte Frau darin, die wackelte mit dem Kopfe. Ich fragte: >Wohnt mein BrĂ€utigam

    in diesem Haus? < Sie antwortete: >Ach, du armes Kind, du bist in eine Mördergrube geraten, dein

    BrÀutigam wohnt hier, aber er will! dich zerhacken und töten und will dich dann kochen und essen. «

    Mein Schatz, das trĂ€umte mir nur. Aber die alte Frau versteckte mich hinter ein großes Fass, und kaum

    war ich da verborgen, so kamen die RĂ€uber heim und schleppten eine Jungfrau mit sich, der gaben sie

    dreierlei Wem zu trinken, weißen, roten und gelben, davon zersprang ihr das Herz. Mein Schatz, das

    trÀumte mir nur. Darauf zogen sie ihr die feinen Kleider ab, zerhackten ihren schönen Leib auf einem Tisch

    in StĂŒcke und bestreuten ihn mit Salz. Mein Schatz, das trĂ€umte mir nur. Und einer von den RĂ€ubern sah,

    dass an dem Goldfinger noch ein Ring steckte, und weil er schwer abzuziehen war, so nahm er ein Beil und

    hieb ihn ab. Aber der Finger sprang in die Höhe und sprang hinter das große Fass und fiel mir in den Schoß.

    Und da ist der Finger mit dem Ring. « Bei diesen Worten zog sie ihn hervor und zeigte ihn den Anwesenden.

    Der RĂ€uber, der bei der ErzĂ€hlung ganz kreideweiß geworden war, sprang auf und wollte entfliehen, aber

    die  GĂ€ste hielten ihn fest und ĂŒberlieferten ihn den Gerichten. Da ward er und seine ganze Bande fĂŒr ihre

    Schandtaten gerichtet.

     

    II.  Die Textproduktion

       

        Die RĂ€uberbraut (Grimmsches MĂ€rchen)

         1.

        Es war einmal eine Frau,

        Die war ziemlich schlau.

        Ihr Vater, der war MĂŒller.

        Und hatte fĂŒr sie einen KnĂŒller:

        Sie sollte sich mit einem Freier trauen

        Und eine große Familie aufbauen.

        2.

        Doch die Frau hatte ein schlechtes GefĂŒh,!

        Denn der Mann schien ihr ziemlich kĂŒhl.

        Einmal sagte er zu ihr:

        "Du bist meine Frau, besuch mich bei mi.r"

        "Aber ich werde dein Haus nicht finden."

        "Aber doch, es liegt im Wald ganz hinten."

        3.

        Am Sonntag ging sie dann zum Wald

        Und machte um Erbsen zu Streuen halt

        Als sie im Hause angekommen war,

        War keine Menschenseele da.

        Sie schritt durch das ganze Haus

        Und suchte jeden Winkel aus.

        4.

        Als sie dann endlich in den Keller dackelte,

        Saß da eine steinalte Frau, die mit dem Kopf wackelte.

        Sie fragte die Frau."Kennst du meinen Mann?",

        Und sie sagte:"Ja, er ist jemand, dem man nicht trauen kann.

        Er wird dich mit seinen Kumpanen in diesem Topf kochen

        Und dich verzehren bis auf die Knochen."

        5.

        Die alte Frau versteckte sie hinter einem Faß

        Und erklĂ€rte ihr was passieren wĂŒrde, nĂ€mlich das: “. . . ! ”

        Sie wollten in dieser Nacht fliehen,

        Um sich ihrem Schicksal zu entziehen.

        Als die Bande nach Hause kam.

        Wurde der Braut ziemlich klamm.

         6.

        Sie zerhackten die mitgebrachte Jungfrau

        Und die Braut sah alles, wie in einer Schau.

        In der Nacht rannten sie fort,

        zurĂŒck in den sicheren Ort.

        Die Braut erzÀhlte alles ihrem Vater

        Und schon bald gab es großes Theater.

        7.

        Als der Tag der Hochzeit war da.

        ErzÀhlte sie alles, genau wie es war.

        Alle hatten es gehört, auch jeder Greis.

        Und am Ende zeigte sie ihn. einen Finger, zum Beweis.

        Der Mörder war darauf das Gegenteil von gerötet

        Und die ganze Sippe wurde getötet.

         

                                                     Schuljahr 2000/2001   Timo K.  - Julian G. - Robert V.

 

       Umformung im Sinne der Aufgabe b)

 

    Man kommt im Anschluss an die Arbeitsphase (Gruppen -/ Partnerarbeit etc.) mit SchĂŒlern

    wie selbstverstÀndlich auch auf die inhaltliche, nicht nur die formale Seite der Aufgabe zu sprechen! Und

    das geht dann unverkrampft und muss nicht zwangslĂ€ufig zu trivialen Ergebnissen fĂŒhren; im Gegenteil:

    ein “BĂ€nkel-Text ” als Impuls, auch fĂŒr den Religionslehrer, um hier ĂŒber Vereinsamung, soziale

    KĂ€lte, Perspektivlosigkeit etc. thematische AnknĂŒpfungspunkte zu finden, aus der geleisteten

    Textproduktion heraus. ( Versmaß und Reimschema spielen dann kaum noch eine Rolle, auch nicht fĂŒr

    den SchĂŒler. Gut so! )

 

     Umformung eines Berichts aus der Bildzeitung:

  Moderner Einsiedler - 30 Jahre versteckte er sich in seinem Zimmer

    Nach 30 Jahren verließ der Brite Desmond Lockwood jetzt zum ersten Mal sein Zimmer. In einem Sarg. Sein

    Bruder fand den Toten. Er war 95 Kilo schwer. Sein Bart war 60 cm lang, und die Haare reichten ihm bis zur HĂŒfte.

    Die rÀtselhafte Geschichte: Mit 19 Jahren hatte Lockwood seinen Job verloren. Das krÀnkte ihn aufs Tiefste.

    Er sagte zu seinem Bruder; “ Wenn man so mit den Menschen umgeht, arbeite ich nie wieder ” (...)

     Bild, 26.August 96  -   Aufmacher war an dem Tag: Arzt foltert Frau in Badewanne.

 

      Dreißig Jahre lang lebte er in seinem Zimmer,

      doch nun ist er tot, fĂŒr immer.

       Wie Robinson Crusoe lebte er dort,

       an einem einsamen, primitiven Ort.

       

      Als er mit 19 seinen Job verlor,  

        war er traurig und  schwor:  

       Ich gehe nie wieder fort

       an einen anderen Ort.

       

      Alle paar Wochen kam ein KĂŒhlwagen daher,

       mit Eiscreme und Tee fiel ihm das Leben nicht schwer

       Er ging nie aus dem Haus,

      denn ohne Lottogewinn wollte er nicht raus.

       

      Er zog sich bald zurĂŒck,

      verließ sich nur noch auf sein GlĂŒck

      Er schaute 20 Stunden tĂ€glich fern. 

      Eis und Tee, das aß und trank er gern.

       

      Der Nachbarsmann hat nicht gedacht,  

       Dass irgend  jemand so was macht.

      Er denkt: Warum bekam der keinen Schmacht?

      Die Stille hat ihn stark gemacht.

       

      Der Grund fĂŒr dieses ganze Theater, 

       war nicht etwa ein Streit mit seinem Vater,

      auch nicht, weil er beim Gehen fast rollte, 

      sondern schlicht und einfach: weil er nicht arbeiten wollte.

       

                                 GBE Kl. 9 / 2000 Daniel, Timo, Tobias,  Sebastian St.,  Steffen

 

        BĂ€nkellieder und Moritaten – weitere Beispiele

 

            Johann Beer (1655 – 1700)

            Hört lieben Christen Leute . . .

             

            Hört lieben Christen Leute,

            Was ich euch Traurigs sing:

            Es geschieht von hier nicht weite

            Ein wunderseltsams Ding.

            Ein Geist tut grob rumoren

            Zu Steinbruch in den Toren

            Auf einem alten Schloss.

             

            Ein Edelmann daselbst saße.

            Herr Wolffgang ist sein Nam.

            Gern etwas Gutes er aße,

            Und wann ein Wildbrett kam

            Aus einem Wald gegangen,

            So hat er’s bald gefangen

            Zu Tisch er’s bringen ließ.

             

            So hat er stets gelebet

            In großer Herrlichkeit,

            Der Musik nachgestrebet

            In aller Lust und Freud.

            Endlich ist’s ihm vergangen

            Ein Geist hat angefangen

            Zu poltern frĂŒh und spat

             

            Nun tut fleißig acht geben,

            Was ich euch jetzo sag:

            Der Geist verfĂŒhrt ein Leben,

            Dass man’s kaum sagen mag.

            Herr Wolffgang musst entwichen,

            Sein Frau, die tÀt erbleichen

            Sie forchte sich aar sehr.

             

            Man siehet Feur und Flammen

            Bei Tag und auch bei Nacht.

            Die schlagen stets zusammen.

            Am Schloss, wer es betracht,

            Derselb bekommt den Grausen.

            Es tut gar schröcklich hausen

            Auf diesem alten Schloss.

             

            Man sieht auch einen Reuter

            Wohl sprengen hin und her,

            Wann man hingehet weiter,

            So droht er mit dem Speer.

            Er will die Leut erstechen,

            Die Laute will er brechen.

            Ach bleibet weit hinweg.

             

            Solch Straf, die pflegt zu kommen

            O du mein frommer Christ,

            Wann’s Herze angeklommen

            Von lauter Freuden ist.

            Herr Wolfgang wird es wissen,

            Wie es steht im Gewissen.

            Ach denke stets daran.

 

                                           (Johann Beer, Kurzweilige Sommer-TĂ€ge, 1683)

                   *

                                              

            Des Bergmanns Leiche zu Falun

             

            Wisst ihr von des Bergmanns Leiche

            Aus dem Schachte zu Falun?

            Dem einst Gott im Schattenreiche

            Unverletzt vergönnt zu ruhn?

            Nicht der Nachwelt TrÀnen weckte

            Dieser JĂŒngling grauer Zeit;

            Doch den Treugeliebten deckte

            Erde, nicht Vergessenheit.

             

            Bei des GrubenlÀmpchens Schimmern

            Musste sich das junge Herz

            Selber seine Ruhstatt zimmern,

            Einen Sarg aus blankem Erz.

            Bis nach mehr als sechzig Jahren,

            Viele hundert Klafter tief,

            Man hinab zur Stell’ gefahren,

            Wo der arme Bergmann schlief.

             

            Doch wie rein und aufgehoben,

            Ruht im Erdenschoß das Gold,

            Das befleckt im Licht hier oben

            Durch der Menschen HĂ€nde rollt.

            So im Schoß metallner KlĂŒfte

            Schloss das ewige Gestein

            In ambrosisch rein DĂŒfte

            Unversehrt den SchlÀfer ein.

             

            Wie er nun ans Licht gezogen,

            BlĂŒhend wie ein Maientag,

            Dem der Sonne Glanz entflogen,

            Vor des Volkes Auge lag,

            Fragen staunend alle Blicke,

            Wer der WunderjĂŒngling sei?

            Und es zittert an der KrĂŒcke

            Auch ein MĂŒtterchen herbei.

             

            Flehend drĂ€ngt die TiefbetrĂŒbte

            Durch die Menge sich und schaut –

            Ja! er ist’s der Heißgeliebte!

            Und sie ist des JĂŒnglings Braut.

            „Nur der Tod kann dich mir geben

            Aber ich war ewig dein!“

            Sprach's und schlief zum bessern Leben

            An des JĂŒnglings Busen ein.

                                       (1809)

             

        Schaurige Mordtat

      wie zwei BrĂŒder, MĂŒller geheißen, am 20. Juni 1736 ihre Tante in Berlin ermordeten

       

      Nun hört, ihr Christenleute,

      Was sich jetzt wieder regt,

      Wie sich auf böse Seite

      So mancher Bube legt;

      Wann wird auf dieser Erde

      Der Bosheit Ende werden?

       

      Berlin kann dies bezeugen,

      Die gut’ und edle Stadt,

      Wie SĂŒnd’ und Laster steigen

      Und wie der Mordgeist hat

      Aufs neu betrachtet eben

      Ein Schauspiel anzugeben!

       

      Noch hat’s damit kein  Ende:

      Zwei BrĂŒder, MĂŒller genannt,

      Besudeln ihre HĂ€nde

      Mit grauser Mordtat Schand’.

      Ach Gott, wer kann’s ermessen,

      Dass Menschen selbst sich fressen?

       

      Sie scheun sich nicht zu legen

      Die Hand an ihrem Blut,

      Es konnte nicht bewegen

      Die tĂŒck’sche, böse Brut,

      Dass sie schon grau von Jahren

      Und nah’ Verwandte waren.

       

      Der Ält’ste hat vermessen

      Die Rede so gestellt:

      „Wir haben lang gesessen,

      Dass wir gezÀhlt kein Geld;

      Wer kann so lÀnger leben

      Und stets in Armut schweben.

       

      Wenn du willst mit mir wagen

      Nur einen kurzen Gang,

      So woll’ n wir’s bald erjagen

      Viel’ GĂŒter ohne Zwang.

      Es wird viel MĂŒh’ nicht setzen,

      So kommen wir zu SchĂ€tzen!“

       

      „Das möchte ich gern vernehmen“,

      Der JĂŒngling fertig sprach,

      „Wie wir zum Reichtum kĂ€men;

      Du weißt, wie’s uns gebrach,

      Wie wir im Elend saßen,

      Oft Salz und Brot nur aßen.“

       

      „Du kennst, geliebter Bruder“,

      Sprach drauf der Ältst’ erhitzt,

      „das alte, reiche Luder,

      Die in Berlin dort sitzt,

      Der’s auch an gar nichts fehlet,

      Die nur Dukaten zÀhlet.

       

      Die kann, wie ich erachte,

      Schon reif zur Erde sein;

      Wenn ich dieselb’ abschlachte,

      Das bringt uns außer Pein;

      Du weißt, dass meine HĂ€nde

      Zum WĂŒrgen gar behende!“

       

      Gar bald sie einig wurden,

      Ihr Vorsatz war gericht’;

      Zu rauben und zu morden;

      Hört ferner, was geschicht:  (= geschehen ist)

      Sie fert’gen ihre Sachen

      Und auf den Weg sich machen.

       

      Das UnglĂŒck sie bald fĂŒhhrte

      Hierher zur Stadt Berlin;

      Elin böser Geist sie schĂŒrte,

      Den Vorsatz zu vollziehn;

      Sie eilten hin zur Beuten,

      Nichts kann sie von ableiten.

       

      Der Muhme sie behende

      Abstatten den Besuch,

      Ach, höchster Gott,  abwende

      Von Christen diesen Fluch;

      Der Ältst’ auch sich tut regen,

      die Hand ihr anzulegen.

       

      Gar schnell und oh Verweilen

      Er ihr die Gurgel zwickt,

      Und weil niemand tÀt eilen

      Zur Hilf’, ward sie erstickt;

      Der JĂŒngste tĂ€t sie halten,

      Handlangers Stell verwalten.

       

      Wie sie nun liegt erblasset,

      So fassen sie den Schluss:

      Oft hÀtte sie gehasset

      Ihr Leben aus Verdruß;

       Sich selbsten aufgehenket

      Und ihren Geist gekrÀnket.

       

      Sie tun an einer Schlingen

      Den Leichnam hÀngen auf,

      Soweit wollt’ es gelingen, -

      Drauf nahmen sie den Lauf - - -,

      Nachdem sie mitgenommen,

      Was ihnen fĂŒrgekommen.

       

      Doch eilte mit der Rache

      Des Höchsten Allmachthand,

      Der ihre böse Sache

      Und sie selbst plötzlich fand;

      Es wurden bald verraten

      Die großen Übeltaten.

       

      Der Ausgang war, wie’s pfleget

      Bei solcher bösen Tat:

      Es ward Gericht geheget,

      Ihr Urteil ist das Rad.

      Wohl dem, den dies kann leiten,

      Vom Bösen abzuschreiten!

 

                               *

 

        Otto Julius Bierbaum (1865 – 1910)

        Der alte Orgelmann singt

         

        Einst in meinen Jugendjahren

        Hab ich Liebe viel erfahren

        In der Beletage sowohl

        Wie Sout’rain und Entresol.    (= Keller-, /Zwischengeschoss)

         

        Bin ein frecher Fuchs gewesen,             (Begriff der Studentenverbindungen)

        Machte nicht viel Federlesens,

        Rupfte hier und rupfte da,

        Lina, Laura, Lucia.

         

        Als Student hat man es leichte,

        Denn es heißt selbst in der Beichte:

        Studiosus fecit id?                      (War’s zu Studienzwecken?)

        Macht ein RosenkrÀnzchen quitt.

        Und so lebt man wie die Finken,

        drĂŒckt auf rauh und glatte Klinken,

        FĂŒhrn sie nur zum KĂ€mmerlein,

        Wo die lieben MĂ€dchen sein.

         

        Jetzo bin ich alt geworden

        Und im grauen Katerorden

        AllerÀltster Senior;

        Kommt mir selber putzig vor.

         

        Von dem ganzen Lie-la-lieben

        Ist kaum ein Gedicht geblieben,

        Das erbÀrmlich klagt und klingt

        Und Erinnerungen singt.

         

        Traurig dreh ich meine Walze,

        Die, belaugt vom TrÀnensalze,

        Förmlich um Erbarmen fleht,

        Weil es mir so ĂŒbel geht.

 

        Lass ich meine Walze rasten,

        Dreht da drĂŒben ihren Kasten

        Laura, einst die schönste Maid,

        Jetzt ein Weib im Lumpenkleid.

         

        Sie auch hat es toll getrieben

        Mit dem gottverfluchten Lieben.

        Darum hör es, Publikum,

        Dreht sie das Harmonium.

         

        O, ihr netten jungen Leute,

        Liebt mit Maßen und gescheute,

        Bis ihr, tadellos gesund,

        Schließet einen Ehebund.

         

        Denn die allerschlimmste Ehe

        Tut noch immer nicht so wehe

        Wie das Leierkastenspiel,

        Denn das ist kein Lebensziel.

         

        Kinderzeugen dahingegen

        Macht VergnĂŒgen und bringt Segen,

        Wenn’s geschieht im Ehebett

        Standesamtlich und honett.

 

                                                           (Deutsche Chancons, hg. O. J. Biebaum, 1900)

 

      Literaturtipp:

    Leander Petzoldt, BĂ€nkellieder und Moritaten aus drei Jahrhunderten. Texte und Noten mit

     Begleit-Akkorden.   Fischer TB 1982                                                                                                            

                                                                                                   

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