“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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                  Interpretation des Gedichts „Im Herbst“ von Joseph Eichendorff

                       ( Zwei Hausaufgaben und ein Aufsatz aus der Mittelstufe)

 

        Joseph von Eichendorff (1788-1857)

        Im Herbst

        Der Wald wird falb, die Blätter fallen,

        Wie öd und still der Raum!

        Die Bächlein nur gehn durch die Buchenhallen

        Lind rauschend wie im Traum,

        Und Abendglocken schallen

        Fern von des Waldes Saum.

         

        Was wollt ihr mich so wild verlocken

        In dieser Einsamkeit?

        Wie in der Heimat klingen diese Glocken

        Aus stiller Kinderzeit

        Ich wende mich erschrocken,

        Ach, was mich liebt, ist weit!

         

        So brecht hervor nur, alte Lieder,

        Und brecht das Herz mir ab!

        Noch einmal grüß ich aus der Ferne wieder,

        Was ich nur Liebes hab,

        Mich aber zieht es nieder

        Vor Wehmut wie ins Grab.

 

                                                                   I.

 

Joseph von Eichendorff lebte von 1788 bis 1857; somit war er Dichter und Schriftsteller der deutschen Romantik. Sein Gedicht „Im Herbst“ schrieb er 1841; es passt nicht nur in diese Zeit, sondern auch zu seinem Alter. Er ist nunmehr 53 Jahre,   also im „Herbst seines Lebens“.

 

Das Gedicht besteht aus drei- bis fünfhebigen Jamben.1 Der Wechsel von betonten und unbetonten Silben lässt eine Gleichmäßigkeit erkennen, die durch den Kreuzreim noch betont wird.

Der Herbst, eine ruhige, dunkle, manchmal auch beklemmende Jahreszeit,  wird unter Verwendung von dunklen Silben in der ersten Strophe sehr gut „beschrieben“. Diesen Eindruck führt Joseph von Eichendorff in der zweiten  Strophe fort, wechselt dann jedoch zum Ende  hin (Verszeile 12) zu hellen Vokalen:  (was) mich – liebt – ist (weit).

Dieser Wechsel geht mit den Erinnerungen an seine Kindheit, an Glocken aus stiller Kinderzeit (Vers 10) einher. So beginnt auch die dritte Strophe, die gegen den Schluss hin erneut ins Traurige, Wehmütige, Dunkle fällt:

 Lieder – wieder – nieder (V 13 – 15 – 17) … ins Grab (Vers 18).

 

Der Dichter vermittelt in dem Gedicht mit anschaulichen Worten den Herbst. Er benutzt viele Attribute, die es auch dem Leser möglich machen, seine Empfindungen nachzuvollziehen.

Joseph von Eichendorff denkt in dem Gedicht über seine Leben nach; denn er ist auch nicht mehr der Jüngste, als er dies schreibt. Mit Wehmut erinnert er sich an seine Kindheit, an seine Heimat. Diese Zeit kann für ihn nicht gerade überschäumend vor Lebenslust gewesen sein, eher still. Dennoch berührt sie im Rückblick sein Herz. Deutlich wird dies in der zweiten und dritten Strophe. Vielleicht möchte er die Uhr noch einmal zurückstellen und sich nicht des Alters bewusst werden. In seinem Leben ist es still geworden, wie auch der Herbst zur ruhigen Jahreszeit gehört. Die Wehmut, die den Dichter umgibt, bedrückt ihn sehr. Er ist sich durchaus bewusst, dass auch sein Leben dem Ende zugeht. 

                                                                                        Luisa Sandkühler ©  GBE Kl. 9 / 2006

 

     1 

Das Versmaß  der Strophen ließe sich genauer bestimmen und dein  Eindruck von Gleichmäßigkeit  würde 

trotz der Variation in den Versen bestehen bleiben:  vierhebig – dreihebig – fünfhebig – dreimal dreihebig

 

                                                 II.

             Im Herbst“  von Joseph von Eichendorff (Hausaufgabe)

 

Joseph von Eichendorff lebte von 1788-1857 und ist somit in die (Früh-) Zeit der Romantik einzuordnen. Nach seinem Jurastudium und einigen Bildungsreisen leistete er Wehrdienst in den Befreiungskriegen von 1813-1815. In dieser Zeit schrieb er auch das Gedicht „Im Herbst". 1    Erfahrung des Krieges weit von der Heimat ist auch der Schlüssel zum Verständnis des Gedichtes (s. Anm.).

 

Das Gedicht besteht aus drei Strophen zu jeweils sechs Versen.  In den Strophen werden ausschließlich Kreuzreime angewandt.  Ein drei- bis fünfhebiger Jambus 1 ist das Versmaß. Aufbau und vor allem Rhythmus des Gedichtes unterstützen den Eindruck der starken Tristesse des Inhaltes und der Stimmung.

 

In der ersten Strophe erzählt das traurige und träge lyrische Ich von der trüben und traurigen Stimmung des Herbstes: „Wie öd und still der Raum!" ( V 2) . Ohne Blätter ist für das lyrische Ich der Wald ein „falbes" Gebilde (V 1).  Es wird auch von Glocken- läuten, die fern des Waldes Saum erschallen geredet V 9).

In der zweiten Strophe geht es um die Einsamkeit des lyrischen Ichs und darum, dass dessen Heimat fern ist. Es vermisst seine Kindheit - ein klares Indiz für die Empfindung des Verlustes von Unschuld, eine in Kriegsliteratur weit verbreitete Symbolik (Beispiel: Der Roman „Im Westen nichts Neues" des Osnabrücker Schriftstellers Erich Maria Remarque).  Glocken in der Feme jenseits des Waldes, in dem vermutlich der Autor als Soldat verborgen bleiben muss, erinnern das lyrische Ich an die Klänge der Glocken der Heimat, welche er glaubt wohl nicht wieder sehen zu können.

In der dritten und letzten Strophe wehklagt das lyrische Ich noch einmal über alles Verlorene, das ihm in der Kinderzeit und Heimat früher lieb war.

 

Es geht in diesem Gedicht also um die Tristesse,  die Traurigkeit des Herbstes und den für den Autor damit verbundenen Verlust seiner Kindheit und Heimat, die er als sein „Liebes" bezeichnet (V 16) und verloren glaubt, denn er sieht das Ende seines Lebens gekommen.

Die zentralen Aussagen des Textes sind dementsprechend sehr auf den Autor und seine augen-   blickliche Situation beim Militär im Krieg bezogen und ein Dokument der Hoffnungslosigkeit.

 

Dieses Gedicht hat mir gut gefallen, da es seine Botschaft und den Autorenbezug gut versteckt und somit ein kleines, interessantes Rätsel darstellt.

                                              Sebastian Spaunhorst ©  GBE  Kl. 9 /2006

 

1 Ein schöner Denkansatz, der sich hier aber leider nicht halten lässt.  Das Gedicht  „Im Herbst“ ist 1841 geschrieben. Eichendorffs Soldatenzeit  als Lützowscher Jäger, dann als Leutnant in einem schlesischen Landwehrregiment war da längst vorbei.  Diese Fehldeutung ist trotzdem interessant und diskussionswürdig, um zu erklären, wie es zu Fehldeutungen kommen kann. (Schüler meinen ja oft, Interpretation sei ganz  subjektiv und jede Deutungsrichtung erlaubt.)  Ob es zum Gedicht einen konkreten biographischen Anlass gegeben hat, vielleicht den Schmerz über den Verlust der Familiengüter, müsste man wissenschaftlich genauer recherchieren. Das kann man aber von dir in Kl. 9  zu Beginn schulischer Interpretationsbemühungen nicht erwarten. Deine Idee bleibt trotz allem hübsch, weil  mutig und eigenständig.

2 zum Versmaß   s. Luisa

 

                                                                      III.

              Analyse und Interpretation eines Herbstgedichts von Eichendorff

                                         (Aufsatz  in der Kl. 10 - zweistündig)

 

Laut Arbeitsaufgabe beschäftige ich mich im Folgenden mit dem Gedicht "Im Herbst" von Josef von Eichendorff, das offenbar die Wehmut des Menschen beim Anblick des Herbstes in der Natur zum Ausdruck bringt.

Das Gedicht trägt die Überschrift "Im Herbst" und besteht aus drei Strophen a sechs Versen. Das Versmaß ist in den  entsprechenden Zeilen jeder Strophe gleich. In der ersten Zeile ist es ein  fünfhebiger Jambus mit überzähliger Senkung, in der zweiten ein dreihebiger Steiger, in der dritten ein fünfhebiger Jambus mit einer überzähligen Senkung, in der vierten wieder ein dreihebiger Steiger, in der fünften ein dreihebiger Jambus mit einer überzähligen Senkung und in der sechsten Verszeile wieder ein dreihebiger Steiger. Das Reimschema ist in allen drei Strophen ein Wechselreim. Die Zeilenlängen innerhalb der Strophen sind unterschiedlich, im Vergleich zu der inneren Struktur der anderen Textabschnitte aber äußerst ähnlich. Der gewählte Wortbestand entstammt den Bereichen der Natur (Wald, Blätter,...) und des Menschen (Abendglocken, Heimat, Kinderzeit,...), wobei aber auffällt, dass der Wald und die Natur nur in  der ersten Strophe genannt und "beschrieben" werden, was die Intention des Schreibers, den Menschen und seine herbstlichen Gefühle und Probleme in den Vordergrund zu rücken, deutlich an den Tag legt. In der sechsten Strophe wird mit Hilfe von typischen Stilmitteln der Lyrik, nämlich durch Metaphern (Buchenhallen) und Vergleiche (Lind rauschend wie im Traum), die herbstliche Veränderung der Natur geschildert. Es wird ein verträumter, melancholischer Hintergrund für den Hauptteil des Gedichts geschaffen. Außerdem werden in der Ferne  läutende Abendglocken erwähnt, die dieses Stimmungsbild noch unterstreichen.

In der zweiten Strophe "erscheint" dann das lyrischen Ich, das in  der Einsamkeit des Waldes den Glocken lauscht. Und plötzlich ist deutlich ein Stimmungsumbruch des Gedichts zu spüren. Es tauchen  Wörter wie "wild" und "erschrocken" auf, und es scheint, als passte der Mensch (das lyrische Ich) nicht in diese Einsamkeit der Natur und wolle sich von ihr, durch die Abendglocken gerufen, losreißen. Das Gedicht erinnert ihn an seine Heimat und stille Kindheit, und er wendet sich erschrocken um. Doch dann wird ihm seine Einsamkeit wieder bewusst, denn was ihn liebt, ist weit weg und vergangen und lebt nur noch in seiner Erinnerung.

In der dritten Strophe wird gesagt, dass die Lieder (das Läuten) und die damit verbundene Erinnerung an seine Kindheit ihm das Herz brechen. Noch einmal grüßt er wie aus der Ferne die schönen Tage seiner Kindheit und die Menschen, die ihn  liebten. Aber die Wehmut der Erinnerung an diese Zeit zieht ihn  wie ins Grab, und er denkt an den Tod.

Ich würde diesen Text nicht als typisches Herbstgedicht bezeichnen, denn es arbeitet nicht so sehr mit den bekannten Bildern  aus der Natur, sondern diese wird mehr als Hintergrund und Stimmungsbild genutzt, vor dem sich der alte Mensch mit seinen Erinnerungen beschäftigt. Der direkte Bezug zwischen der Natur und dem Menschen ist also nicht so deutlich dargestellt wie in vielen anderen  Herbstgedichten. Natürlich besteht trotzdem eine Verbindung zwischen der öden Natur und der Einsamkeit des Menschen, aber allein schon die thematische Textverteilung auf die Strophen (in zwei Strophe wird er Mensch mit seinen Erinnerungen geschildert, in einer Strophe nur die Natur, die danach nicht mehr in Erscheinung tritt), macht deutlich, dass hier der Mensch im Vordergrund steht. Die Beziehung der Überschrift zum Text ist recht klar, denn es werden die Gedanken des Menschen im Herbst geschildert.

Mir gefällt das Gedicht recht gut, denn es arbeitet nur vordergründig mit den bekannten Bildern der Herbstlyrik. Dadurch erhält es eine gewisse Eigenständigkeit und hebt sich von der Masse der Herbstgedichte meiner Meinung nach positiv ab.

                                                                                               Michael Kutz © GBE  Kl. 10/ 1992

P.S. Michael konnte nicht nur exzellent interpretieren, sondern erkämpfte auch 1989 in der  Schulschach- Mannschaft an Brett 2 neben seinem Bruder Martin  den dritten Platz bei der Deutschen Meisterschaft in Berlin.

                                           

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