“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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                  Joseph von Eichendorff  (1788 – 1857)  -  Der Blick

 

Interpretation 1

 

Das Gedicht des Romantik-Dichters Joseph von Eichendorff (1788 – 1857) mit dem Titel „Der Blick“ handelt vom intensiven Augenkontakt zwischen zwei Menschen, einem Mann und einer Frau, die sich zu lieben scheinen.

Eichendorff will wahrscheinlich mit diesem Gedicht ausdrücken, dass ein Blick manchmal mehr sagt als tausend Worte und dass dieser Blick manchmal ausreicht, um seine Gefühle (in diesem Fall: die Liebe) auszudrücken.

 

Zur äußeren Form lässt sich sagen, dass das 4-strophige Gedicht als Metrum 4-hebige Trochäen mit fehlender Senkung aufweist. Eine Strophe fasst jeweils einen Satz, also ist das Gedicht im Hakenstil (unter Verwendung von Enjambements) geschrieben. Das Reimschema ist regelmäßig und durchgehend ein Kreuzreim (a b a b).

 

Zum inneren Aufbau lässt sich sagen, dass das Gedicht in vier Sinnabschnitte, den vier Strophen entsprechend, gegliedert ist. Die erste Strophe handelt vom Blickkontakt zwischen den beiden. In der zweiten Strophe reicht nur der Blick um auszudrücken, was sie sagen will. Die dritte Strophe spricht über ihre Gefühle für das lyrische Ich und die vierte und letzte Strophe über seine Gefühle zu ihr.

 

Der im Titel erwähnte „Blick“ zieht sich durch das gesamte Gedicht. Er ist das Leitmotiv. In der ersten Strophe spricht das lyrische Ich über den ersten Blickkontakt. Eichendorff benutzt viele Sinneswahrnehmungen (schauen, fühlen), dies soll die emotionale Bindung zu dem Blickpartner (der Frau) ausdrücken. Zudem stellt er ihrem Blick als „himmlisch“ (lächeln wie aus allen Himmel, I, 2) dar. Außerdem scheinen ihre Augen etwas auszudrücken, das „keine Lippe (…) führen kann“ (I 3,4).

 

In der zweiten Strophe personifiziert Eichendorff die Augen. Sie haben den „Auftrag“, die Gefühle der Frau zu vermitteln und das ist „süßer“ (II, 4), schöner, als wenn sie es ihm mündlich sagen würde. Vielleicht ist hier auch ein bisschen Schüchternheit ihrerseits im Spiel, sodass sie sich nicht traut, ihre Gefühle zu offenbaren und es „den Augen aufträgt“ (II, 3).

 

In der dritten Strophe wird nun deutlich, dass auch sie was für das lyrische Ich empfindet („Wie sie bricht in reinster Helle“ III, 4). Wieder personifiziert der Sprecher die Augen, das Augenpaar, doch diesmal benutzt er gehäuft das Adjektiv rein („reinster Helle“, „reinen Augenpaar“ III, 3-4) Dies soll wahrscheinlich bedeuten, dass es nun offensichtlich/ klar („rein)“ ist, das sie auch etwas für ihn empfindet. Außerdem verwendet er die Metapher „Himmels Quell“  (III, 1), die die Liebe, die Gefühle der Frau ausdrücken, die er als göttlich für sich ansieht. In dieser Strophe wird aber auch klar, dass sie sich dem lyrischen Ich zunächst verschlossen hat (III, 2).

Und darum ist es unglaublich für ihn, dass sie sich jetzt öffnet. Eichendorff verwendet vier Übertreibungen „reinster Helle“ (III, 2)

In der vierten und letzten Strophe öffnet das lyrische Ich alles diesem Blick (IV, 1-2). Dies soll wahrscheinlich bedeuten, dass sich der Sprecher nun ganz der Frau hingibt und bereit ist, alles für diesen Blick, diese Frau zu geben. Außerdem erfährt man, dass das lyrische Ich vorher gelitten hat; es ist das erste Mal, dass Eichendorff negative Wörter benutzt (Abgrund, Schmerzen IV, 3). Diese Wunde, die das lyrische Ich erlitten hat, füllt die Liebe der Frau „strömend“, also sehr schnell und stark, wieder „aus mit Glück“ (IV, 3-4). AM Ende des Satzes steht ein Ausrufezeichen, das diesen Eindruck des vollkommenen Glücks des lyrischen Ichs wahrscheinlich bestärken soll.

 

Ich denke, meine Deutungshypothese lässt sich durchaus halten. Für das lyrische Ich bedeutet dieser Blick alles, er sagt mehr aus als Worte. Die Augen/ der Blick sind ja nicht umsonst die „Tore zur Seele eines Menschen“. Auch hier werden sie Sinnbild für die Emotionen der beiden Liebenden, da der Blick das Leitmotiv ist und immer wieder erwähnt wird.  Eichendorff zieht sehr oft den Vergleich zum Himmel. Dies lässt gleich an Gott denken, an Vollkommenheit und im Laufe des Gesichts erfährt man auch, dass die Frau für den Verliebten vollkommen ist.

 

Ich finde dieses Gedicht sehr gelungen, da es eine sehr schöne Aussage hat. Manchmal sprechen Blicke wirklich Bände. Das hat jeder Mensch schon mal erlebt und jeder kann sich so auch gut mit dem Gedicht identifizieren.

 

                                            Julia Altenkirch ©  Kl. 10 – GBE 2008 (Ad)

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Interpretation 2

Das Liebesgedicht „Der Blick“ von Joseph von Eichendorff - das genau Abfassungsdatum aus der Zeit der Romantik ist nicht angegeben – handelt von einem Verliebten und seiner Geliebten, die mit einem Blick alles ausdrücken, was sie fühlen. Zur Interpretationshypothese kann man sagen, dass ein Liebespaar sich auch ohne Worte versteht, denn es heißt ja auch im Sprichwort: „Ein Blick sagt mehr als tausend Worte“.

Das Liebesgedicht hat vier Strophen à vier Versen.  Am Metrum lässt sich beobachten, dass es sich beim Versmaß um immer abwechselnd um 4-hebige Trochäen  und  4-hebige Trochäen mit fehlender Senkung handelt. Das Gedicht wurde außerdem im Kreuzreim geschrieben – mit einer Ausnahme in Vers 1 und 3 der ersten Strophe – und enthält in jeder Strophe Enjambements, sodass man von Hakenstil spricht.

Zur inneren Form lässt sich sagen, dass das Gedicht in zwei Sinnabschnitte eingeteilt ist. Die ersten drei Strophen können dem ersten Abschnitt zugeordnet  werden. Hierbei „beschreibt“ der Dichter, wie das lyrische Ich vom Lächeln der Geliebten erfüllt wird. In der ersten Strophe wird im Wie-Vergleich erkennbar, dass dieses Gefühl, geliebt zu werden, himmlisch ist (Strophe 1, Zeile 2). Dieser Blick bringt den Überfluss der Liebe stärker zum Ausdruck, als es Worte je getan hätten. Das lyrische Ich weiß, dass seine Geliebte ihre Gefühle mit Worten beschreiben könnte, aber die Augen sagen noch „süßer“, was aus dem Herzen kommt. Die Aussagen „Und ich seh des Himmels Quelle, die mir lang verschlossen war…“ (Vers 8-9) lässt annehmen, dass der verliebte Jüngling entweder zuvor noch nichts von dieser Liebe bemerkt hatte oder sie seine Gefühle zuerst nicht erwidert hat.

Der letzte Sinnabschnitt entspricht der der vierten Strophe. Hier wir d die Erwiderung der Liebe des lyrischen Ichs sichtbar. Es öffnet sich dem „überfüllten Gefäß der Liebe“ und lässt diese Leidenschaft und das Glück in sein Herz, damit es davon erfüllt wird (vgl. Vers 13 – 16). Des Weiteren sieht man, dass Liebe Schmerzen heilen oder zumindest lindern kann  (vgl. „Und den Abgrund meiner Schmerzen“).

 Der regelmäßige oder gleichmäßige Rhythmus des Metrums lässt an das Herzschlagen des Verliebten denken, was durch den Blick der Geliebten gefördert wird. Der Dichter beschreibt die Augen als die Quelle des Himmels und da man mit Himmel auch Paradies und Glück und Harmonie assoziiert, sieht der Junge/ der Mann dies alles in den Augen und dem Blick seines Mädchens. Außerdem muss sie etwas Göttliches an sich haben und ihr Blick ist der einer unschuldigen  Jungfrau (s. Vers 12 „Aus dem reinen Augenpaar“).

Der Leser des Gedichts bekommt auch den Eindruck, dass die Geliebte ein Engel sein muss. Dies wird an mehreren Stellen deutlich: „.Lächelnd wie aus Himmeln…“, „Und ich seh des Himmels Quelle…“, und „Wie sie bricht in reinster Helle aus dem reinen Augenpaar“. Das Leuchten, das Licht und die Verwendung der Wörter „Himmel“ und „rein“ ruft ein Bild eines Engels wach. Diese Frau öffnet ihm ihr von Liebe überfülltes Herz und lässt sein Herz auch damit füllen, um seine Schmerzen zu schließen. Und der Trichter oder die Öffnung des Herzens, des Liebesgefäßes, sind die Augen und der Blick. Er verändert das Leben eines vermutlich an Liebe fast Verzweifelten.

 

Hiermit hat sich die Deutungshypothese bestätigt. Meiner Meinung nach ist das Gedicht schön und sehr persönlich, da der Dichter aus dem tiefsten Inneren des Mannes spricht. Er ist vielleicht auch ein Appell an alle Paare, die vielleicht das Schweigen verlernt haben und immer versuchen, ihre Probleme mit vielem Reden zu lösen. Es gibt auch eine andere Möglichkeit, wie man hier sieht.

                                                                          Cornelia Reich © Kl. 10 GBE 03-2008

 

Gut am Text beobachtet und einfühlsam gedeutet ist hier beiden Schülerinnen eine überzeugende, sehr gute Interpretation gelungen. (Ad)

                             

 

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