“... Lesen schadet den Augen! ”

 

IMG_0010-red

         LyrikwerkstattInterpretation „Willkommen und Abschied“ (Goethe)

 

Das Liebesgedicht „Willkommen und Abschied“ verfasste Goethe im Jahre 1789.  Er ”beschreibt” darin das Treffen zweier Liebender, ihre Gefühle beim Wiedersehen und Verabschieden.

„Willkommen und Abschied“ nannte Johann Wolfgang von Goethe sein Gedicht und weist damit den Rezipienten schon auf sein Anliegen hin: die Beschreibung der starken Gefühle, welche nur jemand empfinden kann, der wahrhaft liebt, sich treffen darf, sich aber auch wieder trennen muss.

Das Liebesgedicht besteht aus vier Strophen mit je acht Zeilen, verfasst im Kreuzreim (a b a b). Die gleichmäßige Struktur des Werkes wird von dem Motiv des „Herzens“  unterstrichen und getragen.

In jeder Strophe findet sich das Liebessymbol „Herz“ in einem anderen Zusammenhang wieder:

In der ersten und zweiten Strophe wird der Weg durch die Nacht zur Geliebten beschrieben: „Es schlug mein Herz“, „In meinem Herzen welche Glut“; in der dritten Strophe - der Zeit des Zusammenseins; „Ganz war mein Herz an deiner Seite“ verdeutlicht es die Nähe der beiden und schließlich „verengt der Abschied“  (dem lyrischen Ich) „das Herz“, denn die Trennung steht bevor.

Das Gedicht wirkt sehr gleichmäßig, durch die äußere Struktur und auch die sprachliche Gestaltung. Man findet vorwiegend als Versmaß den Jambus („Der Abend wiegte schon die Erde“), wodurch ein gleichmäßiger Rhythmus entsteht.

Die Sprache ist leicht verständlich und sehr bildhaft, dadurch entstehen keine Verständnisprobleme und man kann die Gefühlslage des lyrischen Ichs gut nachvollziehen.

In der ersten Strophe reitet der Sprecher in die Nacht ohne nachzudenken („ Es war getan, fast eh’ gedacht“); aus einer lieblichen Abendstimmung („Der Abend wiegte schon die Erde“) wird bedrohliche Nacht („Eiche“ - „aufgetürmter Riese“, „Finsternis aus dem Gesträuche/ Mit hundert schwarzen Augen sah“). Die Natur wirkt durch diese Bilder Furcht einflößend.

Die zweite Strophe setzt die Wahrnehmung des Reiters fort, die Nacht wird bedrohlicher; dazu bedient der Dichter sich wieder Personifikationen, die er auch steigert. „hundert schwarze Augen“  - „ tausend Ungeheuer“ - die Spannung steigt durch diese Klimax.. Während in derer ersten Strophe lediglich der erste Vers mit einem Ausrufezeichen endet, weist die zweite Strophe am Ende zwei Ausrufe auf: „In meinen Adern welches Feuer! / In meinem Herzen welche Glut!“ (Z 15-16), die außerdem identisch in ihrem Satzbau sind. Auch hier finden sich wieder Metaphern („Doch frisch und fröhlich war mein Mut“) und Personifizierungen („kläglicher Mond“), die die Stimmung der Nacht sehr treffend darstellen.

Dann folgt Strophe drei, welche das eigentliche Beieinandersein zum Thema hat. Hier benutzt Goethe viele Metaphern, welche der Leser mit angenehmen Gefühlen verbindet: „süßer Blicke“, „milde Freude“, oder „rosenfarbenes Frühlingswetter. Zusätzlich wird diese Stimmung durch die Häufung heller Vokale unterstrichen.

In der letzten Strophe folgt der Abschied, wie in der Überschrift angekündigt. Goethe verzichtet damit auf einen Rückblick oder eine Vorausschau, sein Gedicht folgt chronologisch dem Geschehen vom Willkommen über das Treffen bis zur Trennung. Auffällig für die letzte Strophe sind vier Ausrufesätze („In deinen Küssen welche Wonne! In deinem Auge welcher Schmerz!“, „Und doch, welch Glück geliebt zu werden! Und lieben Götter, welch ein Glück!“), außerdem eine Häufung von Verbformen (ging, standst, sahst) , die zur Belebung des Textes dienen.

Außerdem verwendet Goethe zweimal das rhetorische Mittel der Anapher („In deinen Küssen welche Wonne! In deinen Augen welcher Schmerz!“; „Und sahst mir nach mir nassem Blick:/  Und doch welch Glück geliebt zu werden! / Und lieben Götter, welch ein Glück!“); durch die Wiederholung prägt sich dem Leser das Gesagte deutlicher ein.

Strophe drei und vier zeigen noch eine weitere Gemeinsamkeit: Das lyrische Ich dankt den Göttern für das Glück, Zärtlichkeit und Liebe zu bekommen, als erhofftes, aber unverdientes Glück.

Die Regelmäßigkeit der äußeren und inneren Struktur von „Willkommen und Abschied“ erleichtert dem Leser, sich ganz auf die Gefühle des Liebenden einzulassen, sie mit ihm zu erleben. Meiner Ansicht nach lassen sich drei Gemütszustände beschreiben, in denen sich das lyrische Ich befindet: die Vorfreude und Sehnsucht vor dem Treffen (auch die Angst vor Gefahren, die es verhindern könnte), das Glück während des Zusammenseins und schließlich der Kummer und Schmerz, weil man sich trennen muss. Betrachtet man die Strophen genauer, zeigt sich, dass jede sowohl eine eigene Aussage als auch ihre Funktion für das Gesamtwerk besitzt:

Die Hauptaussage von Strophe 1 und 2 sind die Vorfreude und die Sehnsucht vor dem Treffen beider Liebenden mit allen positiven und negativen Aspekten, denn die Vorfreude dauert nie lang und man möchte sie auskosten; auch steht am Ende wieder der Abschiedsschmerz. So ein Treffen birgt auch stets ein Risiko, falls der Partner den

Anderen betrügt oder einer auf dem Weg stirbt, die „hundert schwarzen Augen“ als hundert mögliche Schicksalsschläge, die das Treffen verhindern könnten. Jedoch werden alle Gefahren ignoriert, da der Wert der Liebe deutlich höher ist. Allerdings verstärkt die vorausschreitende Nacht die Gefahren, aus „hundert schwarzen Augen“ werden „tausend  Ungeheuer“ und das warme, sanfte Licht des Sonnenuntergangs kehrt sich zum kläglichen Mond. Auch gibt es auf einem Weg, gepflastert mit Sehnsucht und Vorfreude, immer die Angst, man könne aus dem Liebestraum erwachen und nur einem Trugbild verfallen sein.

In Strophe 3 findet das Treffen der Liebenden statt und alle Zweifel sind beseitigt. Es regieren „milde Freude“, „süße Blicke“, „rosenfarbenes Frühlingswetter“ um das „liebliche Gesicht“.

Das lyrische Ich dankt den Göttern für die zwar erhoffte, jedoch unerwartete Zärtlichkeit. Dass man den Göttern dankt, ist Ausdruck dafür, dass dies ein hohes, übermenschliches Glück ist.

In der letzten Strophe, dem Abschied, dominiert zwar der Schmerz der Trennung, jedoch ist dies ein süßer Schmerz, denn dieses Leiden ist der Wonne ganz nah. Abermals wird den Göttern gedankt, denn es ist wahrlich ein göttliches Gut, geliebt zu werden und lieben zu können. Dem Rezipienten bleibt die Erkenntnis, dass es kein höchstes Glück ohne Schmerzen gibt, kein Zusammensein ohne Trennung und keine größte Wonne ohne Schmerz existieren kann.

 

Das Gedicht „Willkommen und Abschied“ gefällt mir sehr gut, da mich Thema und Gestaltung sehr ansprechen. Goethe gelingt es, den Leser auf eine „Reise“ mitzunehmen; man kann sehr gut nachfühlen, wie zwei Liebende zumute ist, wenn sie sich endlich sehen können und dann wieder Abschied nehmen müssen     

                                                                                      Florian Stockhause ©  GBE  Kl.10/  2006 

                                   

> Willkommenes

PDF

 

IMG_0771 Goethe

 

> ÜB Erlkönig_Ballade

> Formen

> Wort

> Gedichtvergleich Lili