“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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Das Gedicht „Ein welkes Blatt“ von Mascha Kaléko, die von 1912 - 1975 lebte, ist ein Herbstgedicht. Es stammt aus der Moderne.  In dem Gedicht beschreibt1 die Autorin den Herbst, vor dem Tier und Mensch „ flüchten“. Mascha Kaléko  möchte wohl auch ausdrücken, wie still und trostlos die kalten Jahreszeiten (Herbst und Winter) und wie  „ traumhaft“ Frühling und Sommer sind.

  

Von der äußeren Form her ist das Gedicht in sieben Versgruppen unterteilt. Die erste, zweite, vierte und fünfte Versgruppe besteht jeweils aus drei Zeilen, die dritte, sechste und siebte Versgruppe wird dagegen nur aus zwei Zeilen gebildet. Das Versmaß ist nicht durchgehend eindeutig und regelmäßig. Während sich in vielen Zeilen Jambus, Trochäus, Daktylus und Anapäst mischen, besteht die dritte Gruppe aus  einem fünfhebigen Jambus, die zweite Zeile der zweiten Versgruppe aus einem sechshebigen Trochäus, die dritte Zeile dieser Versgruppe aus einem Jambus. In der siebten Versgruppe ist auch ein regelmäßiges Versmaß zu erkennen: in der ersten Zeile ein fünfhebiger Jambus2, in der zweiten Zeile ein dreihebiger Jambus. Die Kadenzen sind in der ersten Versgruppe weiblich (w), männlich (m), männlich. In der zweiten Versgruppe sind sie: w w m; dritte Versgruppe: m w; in der vierten  w, wobei die zweite Zeile besonders klingend ist.  Die Kadenz der fünften Versgruppe ist  w w m, die der sechsten und siebten Versgruppe sind immer männlich.

Da die Versgruppen nicht strophenartig angelegt sind, ist kein bestimmtes Reimschema erkennbar. Bei den drei zweizeiligen Versgruppen reimen sich die ersten Zeilen (Baum, Traum, Raum). Bei den dreizeiligen Versgruppen sind innerhalb jeder dieser Gruppen zwei  Zeilen gereimt.3

  

Von  der inneren Form her kann man das Gedicht nicht in mehrere deutliche Sinnabschnitte einteilen. Alle Versgruppen stehen miteinander in Zusammenhang, ohne dass man sie in besondere Abschnitte einteilen könnte. Jedoch kann man jede Strophe mit einem anderen „Thema“  überschreiben.

In der ersten Versgruppe wird z.B. beschrieben1, wie der Herbst sich „bemerkbar“ macht: die Blätter welken, es wird kälter, die Welt verfärbt sich. In der ersten Zeile steht dieses Welke Blatt für den Herbst.  Jedermann, der es sieht, assoziiert es sofort mit dieser Jahreszeit. Die Nächte werden kälter, das Laub auf den Bäumen, einst grün, erstrahlt in bunten Herbstfarben. In der zweiten Versgruppe „raschelt der Winter im Laube“. Hier wird der Winter personifiziert, da die Jahreszeit an sich ja nicht rascheln kann. Gemeint ist damit wohl der kalte Wind. Aufgrund der Kälte ziehen auch die Vögel nach Süden, der Wintereinbruch und die „Flucht“ der Vögel ist jedoch etwas plötzlich und schnell („schon „, „husch“). In der dritten Versgruppe geht es um einen Baum. Mit den Vögeln waren auch die Lieder fort, sie fielen „wie letzte Früchte“  vom Baum. Mit diesem Vergleich fallen dem Leser gleich zwei Dinge ein, die im Herbst/Winter verschwinden: der Gesang der Vögel und die Früchte. In den „leeren“ Zweigen „haust“ nun der Wind. Mit dieser Personifikation wird der Winter als wüster, unerwünschter Eindringling dargestellt, der die eigentlichen Einwohner vertrieben hat. In der vierten Versgruppe geht es um die Menschen. Auch sie „flüchten“  vor dem Herbst. Sie ziehen die Köpfe ein und werden wortkarg. Die schon gesenkten “ Häupter“ der alten Menschen gehen noch tiefer, so als wenn sie sich vor dem Herbst (Winter), also dem Tod und dem Ende schützen wollen. Die Liebenden schweigen, ihre Jahreszeit ist das  Frühjahr, in dem alles erwacht, und nicht der Herbst, in dem ihr Gespräch „erstirbt“. In Versgruppe fünf  sind die Boote bald im Hafen, es ist neblig und die Schwäne schlafen. Das muntere Leben wird eingestellt, es wird ruhig. Die sechste Versgruppe lässt das lyrische Ich noch einmal an den Sommer, einen entflogenen Traum, und den Frühling, ein fernes Gerücht, denken. Mit „entflogen“ könnte man verbinden, dass die Vögel fortfliegen und alles Schöne irgendwie „mitnehmen“.  „Gerücht“ könnte an den Duft von Frühlingsblumen erinnern oder einfach meinen, dass das lyrische Ich vom Frühling hört, aber nicht genau glauben kann, dass er wiederkommt, so wie der Sommer als Traum aufgefasst wird. Die siebte und letzte Versgruppe erinnert an die erste: Hier wird wieder aufgegriffen, dass man beim Anblick eines welken Blattes sofort an den Herbst denkt. Dieses Blatt „treibt still im weiten Raum“. Man kann damit verbinden, dass alles öd, still und leer ist. Insgesamt wird der Herbst als Feind dargestellt. Das wird besonders in der sechsten Versgruppe deutlich, aber auch in der ersten Gruppe, dritte Zeile: O  grüne Welt. Dieses „O“ klingt wie ein Ausruf des Entsetzens und der Trauer. Somit ist der Herbst nach Aussage des lyrischen Ichs unerwünscht. Von den Menschen und auch von den Tieren.

 

Am Ende meiner Interpretation komme ich zu dem Schluss, dass der Herbst in diesem Gedicht als Feind aufzufassen ist. Ich kann damit meine zu Anfang gestellte Interpretationshypothese bestätigen. Das Gedicht hat mir relativ gut gefallen. Es ist einfach zu verstehen, da die Sprache der heutigen Zeit entspricht. Ich kann der Autorinbei der Assonanz4 des welken Blattes zustimmen, jedoch sehe ich den Herbst nicht gerade als Feind, da ich keine bestimmte Jahreszeit bevorzuge und der Herbst auch positive Seiten hat.

 

 Lehrerkommentar:

 1   Lyrik bewirkt immer mehr als reine Beschreibung.

2  Den „Herbst“ kannst du nicht in der Senkung verschwinden lassen.

3  Insgesamt recht genaue formale Beobachtungen!

4  Personifikation und klagender Ausruf (Evokation) leisten viel mehr (s .1).

5  Du meinstAssoziationen. Assonanzen sind unreine Reime: sehen - reden. 

 

Sehr gelungene Überlegungen zur herbstmotivischen Wirkung des vorliegenden Gedichts.

 

     > welkes PDF Blatt                        Birgit Schmalge ©   GBE  Kl. 10/ 1997

                                                 (zweistündig! - Damals gab es noch kein Mini-Abi; wozu auch?)

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