“... Lesen schadet den Augen! ”

 

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                        Liebesgedichte der Romantik  - Gedichtvergleich

 

        Clemens Brentano (1778 – 1842)

        Der Spinnerin Lied

         

        Es sang vor langen Jahren

        Wohl audh die Nachtigall,

        Das war wohl süßer Schall,

        Da wir zusammen waren.

         

        Ich sing und kann nicht weinen,

        Und spinne so allein

        Den Faden klar und rein,

        Solang der Mond wird scheinen.

         

        Da wir zusammen waren,

        Da sang die Nachtigall,

        Nun mahnet mich ihr Schall,

        Daß du von mir gefahren.

         

        So oft der Mond mag scheinen,

        Gedenk ich dein allein,

        Mein Herz ist klar und rein,

        Gott wolle uns vereinen.

         

        Seit du von mir gefahren,

        Singt stets die Nachtigall,

        Ich denk bei ihrem Schall,

        Wie wir zusammen waren.

         

        Gott wolle uns vereinen,

        Hier spinn ich so allein,

        Der Mond scheint klar und rein,

        Ich sing und möchte weinen.

                                *

         

        Karoline von Günderode (1780 – 1806)

        Die eine Klage

         

        Wer die tiefste aller Wunden

        Hat in Geist und Sinn empfunden

        Bittrer Trennung Schmerz;

        Wer geliebt was er verloren,

        Lassen muss was er erkoren,

        Das geliebte Herz,

         

        Der versteht in Lust die Tränen

        Und der Liebe ewig Sehnen

        Eins in Zwei zu sein,

        Eins im Andern sich zu finden,

        Dass der Zweiheit Grenzen schwinden

        Und des Daseins Pein.

         

        Wer so ganz in Herz und Sinnen

        Könnt' ein Wesen liebgewinnen

        O! den tröstet's nicht

        Dass für Freuden, die verloren,

        Neue werden neu geboren;

        Jene sind's doch nicht.

         

        Das geliebte, süße Leben,

        Dieses Nehmen und dies Geben,

        Wort und Sinn und Blick,

        Dieses Suchen und dies Finden,

        Dieses Denken und Empfinden

        Gibt kein Gott zurück.

 

 

Bei der folgenden Ausarbeitung handelt es sich um den Vergleich zweier romantischer Gedichte: Clemens Brentano „Der Spinnerinnen Lied“ und Karoline von Günderode. „Die eine Klage“ . Ich werde zunächst einzelne Auffälligkeiten beider Werke nennen und interpretieren und daraufhin zu Gemeinsamkeiten sowie Unterschieden kommen.

 

Das Gedicht „Der Spinnerinnen Lied“ von Clemens Brentano, welches 1818 verfasst wurde, thematisiert den Trennungsschmerz nach der einen, einzigen, erfüllten Liebe und lässt die Hoffnung nach einer dem Tod trotzenden Wiedervereinigung des lyrischen Ichs und dem einstigem Partner durchscheinen.

 Es liegen sechs vierzeilige  Strophen vor, in denen durchgehend dreihebige Jamben zu finden sind. Brentano hat einen umarmenden Reim mit der Kadenz m w w m gewählt. Von der Form her gleicht das Gedicht einem Lied. In dem Metrum kann man die Regelmäßigkeit der Spinnradbewegungen wieder erkennen. So herrsche dem lyrischem Ich nach  auch eine gewisse Regelmäßigkeit im Leben, welche durch sein Gottvertrauen begründet sei. „Gott wolle uns vereinen“ (Str. 4, 6; Z.4, 1)

       Die weiteren formalen Auffälligkeiten lassen sich ebenfalls gut mit der Aussage des Gedichtes vereinigen, denn es handelt, von der einen, vollkommenen Liebe.  Der umarmende Reim spiegelt dieses In-sich-Vollkommene wider, außerdem gibt er dem Gedicht eine runde Form.  Wie der A-Reim den B-Reim umhüllt und umarmt, so war das lyrische Ich von der Liebe umgeben und umarmt, dies kann sogar in der Gegenwartsform formuliert werden, da diese Liebe für das lyrische Ich weiter währt und die Partner wieder zusammen finden werden.

Das Motiv der Nachtigall sowie das Motiv des Mondscheines werden fortwährend wiederholt. Es sind für die Zeit der Romantik typische Motive, wobei die Nachtigall für erfüllte Liebe steht und der Mond  die Sehnsucht nach - in unserem Fall - eben dieser Liebe symbolisiert. In den Strophen eins bis vier ist abwechselnd von der Vergangenheit und Gegenwart die Rede, wobei Nachtigall immer mit dem Vergangenen, die Erinnerung an die gemeinsame Zeit und der Mond mit dem Gegenwärtigem, der Sehnsucht nach dem Partner und seiner Liebe, verknüpft wird.

„Seit du von mir gefahren, / singt stets die Nachtigall, / Ich denk bei ihrem Schall, / wie wir zusammen waren.“ (Str.5, Z.1ff) Hier werden zum ersten Mal Vergangenheit und Gegenwart  miteinander verknüpft. Der Schall, von dem immer wieder die Rede ist, kann als Nachklang der Liebe verstanden werden, es ist die Erinnerung des lyrischen Ichs.

In der sechsten und letzten Strophe kommt die Sehnsucht auch gleichzeitig am stärksten zum Ausdruck. „Der Mond scheint klar und rein“ (Str.6; Z.3) So hat auch das lyrische Ich Klarheit seiner Sehnsucht bezüglich. Klar und rein ist auch der Faden. Es ist wie ein Faden zwischen den beiden Partnern, der ewig Bestand hat.

Das lyrische Ich vertraut komplett auf Gott, dass er ihre Seelen nach dem Tod oder in einem anderen Leben wieder vereinen werde, ohne jedoch den Verdacht auf Suizidgefährdung zu erwecken. Dieser starke Glaube, an dem es sich festhält, kann dem Leser sogar naiv und unrealistisch vorkommen.

 

Das 1804/05 von Karoline Günderode verfasste Gedicht „Die eine Klage“ hat ebenfalls den Trennungsschmerz nach der einzigen, wahren Liebe zum Thema, welche der Lebenssinn des lyrischen Ichs war. Die gegenseitige Liebe wurde an die höchste Stelle gesetzt und es gibt nur diese eine.

Das Werk hat vier Strophen zu jeweils sechs Versen. Zu Anfang steht ein Paarrein, welchem ein umarmender Reim folgt. (aabbccb). Dieser Paarreim erinnert auch an die frühere Partnerschaft der lyrischen Ichs. Der darauf folgende umarmende (umschließende) Reim weist auf das Gefangensein innerhalb der Hoffnungslosigkeit hin, die Trauer und der Aussichtslosigkeit, der nicht entronnen werden kann. Die Kadenz ist w w m w w m, als Metrum wurde der Trochäus gewählt. Der Faller geht mit der negativen, dunklen Stimmung einher, insgesamt klingt das Gedicht härter.

In der ersten Strophe wird das Erlebte, das Verlieren des geliebten Partners, beschrieben. Hierbei wird der Leser direkt angesprochen und aufgefordert, über eigene Erfahrungen nachzudenken. Der Trennungsschmerz und das Leid werden deutlich. Es ist „die tiefste aller Wunden“(Str. 1; Z.1)

Das Sehnen dauert ewig an. „Und der Liebe ewig Sehnen“(Str.2 Z.2) Es gibt für das lyrische Ich die einzige, große Liebe, die sie zum Leben braucht wie Wasser und Brot um „des Daseins Pein“(Str. 2; Z.6) ertragen zu können. Mit dem Partner wird die Liebe geteilt, es kann sich in ihm sogar wieder finden, wodurch sie quasi zu einem verschmelzen, da beide das Gleiche Gefühl empfinden.

Wörter wie Wunden, Trennung, Schmerz, verloren, Tränen, Sehnen und Pein bestimmen das Bild. Sie formen eine bedrückende, pessimistische Stimmung.

In Strophe drei wird deutlich, dass es ab nun keine Freuden mehr gibt „Jene sind’s doch nicht.“ (Str.3; Z.6). Das Leben hat jeden positiven Aspekt verloren, es bleibt einzig und allein der Schmerz.

„Das geliebte Süße Leben / (...) / Dieses Denken und Empfinden / Gibt kein Gott zurück.“ (Str.6; Z.1ff) Mit diesen Zeilen der letzten Strophe schließt das lyrische Ich schließlich sogar mit dem Leben ab, denn ohne diese Beziehung ist es ohne Wert und nur Quäl und Pein. Daran kann nicht einmal Gott etwas ändern. Es besteht keine Hoffnung. Des Weiteren wird man verleitet zu denken, das lyrische Ich könnte Suizid begehen.

Der größte Unterschied zwischen den beiden Gedichten besteht in der Rolle der Hoffnung. Bei Brentano ist diese durch Gottvertrauen gegeben, es wird an eine Wiedervereinigung nach dem Tod geglaubt. Hingegen ist der Trennungsschmerz des lyrischen Ichs bei von Günderode unheilbar, es besteht keine Hoffung mehr für dieses Leben. Auch schenkt es Gott kein Vertrauen. Beide jedoch erfahren Trennungsschmerz, Kummer und Leid, in beiden Gedichten ist von ewigem Sehnen die Rede. In beiden Gedichten gilt die Liebe als etwas Einmaliges, Vollkommenes, was nur mit einem einzigen Partner erlebt werden kann und nach dessen Tod oder Fortgang nie wieder möglich ist.  Von Günderodes lyrischem Ich würde man heute als suizidgefährdet bezeichnen, während das lyrische Ich in „Der Spinnerinnen Nachtlied“ weiterleben wird mit dem Schmerz, aber auch der Hoffnung.

Eine formale Gemeinsamkeit ist der umarmende Reim, welcher jedoch mit dem Inhalt verschieden verknüpft wird.  

 

 Tanja Kuhlenschmidt©   (Hausaufgabe)  Gymnasium Bad Essen  2007 Jg. 11 (Th. Seiters)

 

                                                                              

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