Erich Adler ©
Herbstbild mit FlĂŒgel
Auf der Fahrt in den Nachmittag die gewohnt bunten HĂŒgel hinauf, dann jenseits der StraĂe, sanft durch die Schlaglöcher, an einer gezĂ€unten Wiese entlang schaukelnd, durch Gelbes, Rotes und Herbstliches, wie man es kennt: Die BlĂ€tter fallen, fallen weiterhin aus Gedichten, die ich in die Stille zitiere, bis ich auf der Anhöhe zwischen unerschĂŒtterten Gallowayrindern, die sich mit lockigem SchĂ€del tiefer in diese fremde Landschaft fressen, ĂŒber dem Boden jenseits des rostenden Drahtes einen hochgestellten, um sich schlagenden FlĂŒgel eines verendeten Vogels erblicke - ein in die Luft fĂ€chernder KapitĂ€n Ahab - sterbend winkend, winkend sterbend bereits an das zur Tiefe sinkende Grab gebunden.
Im Wind rhythmisch protestierend treibt er das Fallen meines Barometers voran, bis der Waldweg unbefahrbar wird, schaukelnd zurĂŒck durch die gelassen welkenden BĂ€ume, BlĂ€tter und GrĂ€ser, die meinen Blick verlangsamen noch, bevor ich am Abend auf dem Kulturkanal durch ErklĂ€rung der einsteinschen Formel ĂŒber die RelativitĂ€t meiner Bewegung nachzudenken lerne.
Am Morgen zeitig geweckt durch eine aufgeregte Formation weiĂer, im blauen Raum ĂŒber mir lĂ€rmender WildgĂ€nse.
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Irgendwann gegen Nachmittag - Schneefall vom Himmel, nicht endend ohne Vorwarnung. FrĂŒh fĂ€llt DĂ€mmerung orientierungslos ĂŒber mich: Körpergeographie im Schlingern, Erinnerung an Menschen auf dem RĂŒckzug - vier Frauen, in einen Kleinwagen gedrĂ€ngt, starten lachend Richtung Dorfausgang, zwei furchtlosen Scheinwerfern folgend in das angestrahlte Grau dichter werdender Flocken - meine Augen halten noch kurz das Ausbrennen der RĂŒcklichter fest - dann drehe ich mich um , sehr allein jetzt, ohne dass mich mehr als ein teigiger Abendbeginn erwartet. - Eine Weile im dunklen Haus auf der Suche nach Kerzen oder Teelichtern, die gewöhnlich aus den KĂŒchentischladen rollen, wenn man hier die Hand nach dem obligatorischen Weinflaschenöffner ausstreckt.
Mein Nachbar kommt, klopft mit mĂ€chtiger Faust, da die Klingel ihren Zweck nicht erfĂŒllen kann, und lĂ€dt ans Kaminfeuer, menschlich., aber ich bleibe höflich und unerschrocken in kalter Isolation, hin und wieder mit geringem Energieaufwand den Lichtschalter hin- und herbewegend. SpĂ€ter, der Abend hat sich lĂ€ngst auf dem Sofa breit gemacht, lese ich, immer noch bei Kerzenschein, in einer Chandler-ErzĂ€hlung, in der sich Menschen in Partylaune um ihren Verstand saufen, wĂ€hrend die Jacaranda-BĂ€ume blĂŒhen.
Umfassender Ausfall der Stromversorgung, weder Telefon noch Handy fĂŒhren als Kompass zum verlorenen Himmel. An den WĂ€nden Schatten und bisher nicht gesehene VerfĂ€rbungen, Formloses mit Interesse neu beobachtet, bedacht. Dann kehrt das Licht zurĂŒck. Lauschen, keine hörbare Erleichterung, die von auĂen ĂŒber den Zaun herĂŒberschallt. Ist die StraĂe schon zu Bett gegangen?
Am Morgen im Garten am Strauch letzte Novemberrosen, noch in BlĂŒte und scheinbar dauerhaftem Widerstand, rot gegen weiĂen Hintergrund - ein WintergemĂ€lde sĂŒdlich des Herzens, dessen Energiequelle sprachlos werden lĂ€sst, ich selbst, weniger gewĂ€rmt vom Wunsch nach Kaffee als von dieser BlĂŒte, allem irdischen Schneefall zum Trotz - zum Trost.
Die StraĂe hinunter, von Sonnenstrahlen sanft angeschoben, geht mein Blick auf die andere Seite in einen Garten, blumenleer, die KirschbĂ€ume noch ganz ohne BlĂŒte auch tags, nicht sichtbar seine Erwartung, sehe ich zwei gröĂere Jungen, ihre bunten Schultaschen achtlos zur Seite geworfen, in einen kleinen Haufen aus schmutzigem Schnee treten, immer wieder mit der FuĂspitze hinein, als könne der kalte Rest durch Starrsinn zu Wachstum getrieben werden.
VorfrĂŒhling, anstöĂig - tapfer scheint sich das HĂ€uflein zu wehren.
Ich möchte, von allen Worten verlassen, Tröstliches hinĂŒberrufen und bitten, den Winter nicht mehr zu fordern; ein falscher Zeitpunkt fĂŒr diese Ohren, die mit dĂŒnnen silbernen Kabeln geerdet sind - - - und mit Verachtung.
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erschienen in:
Momente & Landschaften (Kurzprosa & Gedichte) Engelsdorfdorfer Verlag. Berlin 2007
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